«Hirntumor bei Kindern: Pestizide im Verdacht» titelt das Magazin Ktipp und schreibt über die Ergebnisse einer diesjährigen Studie von Berner Forschenden. Es folgt das emotionale Porträt einer Familie aus dem Zürcher Weinland, die einen 8-jährigen Jungen wegen eines Hirntumors verloren hat und eine Zusammenstellung der Hinweise, die auf Pflanzenschutzmittel als Ursache für die gehäuften Erkrankungen deuten. 

Verschiedene andere Medien zitieren ebenfalls die Berner Studie und berichten, dass der Kanton Zürich bereits früher von einem um 39 Prozent erhöhten Risiko für Hirntumore bei Kindern wusste. Dem sei aber nicht nachgegangen worden. Erst nachdem sich betroffene Familien bei den Behörden meldeten, sollen entsprechende Untersuchungen zu den Ursachen aufgenommen worden sein. 

«Vermutungen ohne gesicherte Datenbasis»

In einer Mitteilung wehrt sich der Zürcher Bauernverband (ZBV) dagegen, dass die Landwirtschaft in diversen Medienberichten zum erhöhten Hirntumor-Risiko als verantwortlich dargestellt wird. Für diese «Vermutungen ohne gesicherte Datenbasis» habe man kein Verständnis, schreibt der ZBV. Man habe den Eindruck, es gehöre zum aktuellen Zeitgeist der Medienberichterstattung, die Landwirtschaft für zahlreiche Herausforderungen an den Pranger zu stellen. 

Natürliches Bestreben zum Schutz von Mensch und Tier

Gleichzeitig sei man sehr daran interessiert, dass mit abschliessender Sicherheit festgestellt werden könne, dass die eingesetzten und durch die Zulassungsbehörden bewilligten Pflanzenschutzmittel keinen Schaden anrichten, so der ZBV. «Es ist das natürliche Bestreben einer jeden Bauernfamilie die Gesundheit von Menschen und Tieren nicht zu gefährden.» Entsprechend setzt sich der ZBV dafür ein, dass der mögliche Zusammenhang zwischen Pflanzenschutzmitteln und der Häufung von Hirntumoren bei Kindern wissenschaftlich untersucht wird.

 

Das sagt die Studie

Bei der genannten Forschungsarbeit ging es darum, die räumliche Verteilung verschiedener Krebserkrankungen bei Kindern in der Schweiz zu untersuchen. Dabei nutzten die Studien-Autoren Daten aus dem nationalen Kinderkrebsregister und analysierten, ob verschiedene Umgebungsfaktoren (Luftkonzentration von Stickoxiden, ionisierende Strahlung, wie reich die Gegend ist, Sprachregionen, Grad der Urbanisierung) das geografische Muster erklären können. Die Studie umfasste 4198 Krebsmeldungen bei Kindern (32 Prozent der Fälle mit Leukämie, 13 Prozent mit Lymphdrüsenkrebs und 22 Prozent mit Hirntumoren) im Zeitraum von 1985 bis 2015. 

Kaum regionale Muster bei Leukämie und Lymphdrüsenkrebs

Für Leukämie und Lymphdrüsenkrebs variierte das Risiko innerhalb der Schweiz wenig. Das regionale Auftreten liess sich am besten mit der berechneten Menge Stickoxiden in der Luft (stammen primär aus dem Verkehr) erklären, während Lymphdrüsenkrebs häufiger in der französisch sprachigen Schweiz auftrat. 

Deutliches Muster bei Hirntumoren

Anders war der Fall bei den 1290 analysierten Hirntumor-Fällen, wo sich ein deutliches regionales Muster zeigte. Die oben genannten Faktoren konnten die geografische Verteilung schlechter erklären.   

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Die Karte zeigt die räumliche Verteilung von Hirntumoren bei Kindern, korrigiert für Luftkonzentrationen von Stickstoffen, Gamma- und kosmische Strahlung, regionalen Wohlstand, Länge der Datenreihe, Sprachregion und Urbanisierungsgrad. Es zeigt sich eine deutliche Häufung im Seeland und dem Zürcher Weinland. (Grafik Konstantinoudis, G., Schuhmacher, D., Ammann, R.A. et al.)

In der Studie nicht berücksichtigte Umweltfaktoren könnten gemäss den Autoren daher für das gehäufte Auftreten von Hirntumoren bei Kindern in bestimmten Regionen verantwortlich sein. Es könnten auch räumlich ungleich verteilte genetische Veranlagungen sein. In zukünftigen Studien sollte man daher Umweltfaktoren wie Pflanzenschutzmittel (die in dieser Arbeit nicht berücksichtigt worden seien) in die Analyse miteinbeziehen, schlagen die Forschenden vor. 

 

Verschiedene Pflanzenschutzmittel können schädlich sein

Auch wenn diese Studie (siehe Kasten) keine Pflanzenschutzmittel (PSM) berücksichtigte, gibt es viele andere zu diesem Thema. Immer wieder kommen Forschende dabei zum Schluss, das PSM die Gesundheit schädigen können. Eine vom Staatssekretariat für Wirtschaft Seco in Auftrag gegebene Studie von 2017 zeigt etwa dass, in der Landwirtschaft tätige Personen zwar generell gesünder sind als andere Berufsgruppen, aber an einigen typischen Krankheiten gehäuft leiden. Landwirte haben demnach massiv seltener Lungenkrebs, aber häufiger Blutkrebsarten wie Leukämie, sowie Haut- und Weichteilsarkome, Prostata-, Hoden-, Magen- und Hirntumore und Parkinson. 

Dafür, dass besonders langlebige, gesundheits- und umweltgefährliche Pflanzenschutzmittel in der Schweiz nicht eingesetzt werden, sind die Zulassungsbehörden zuständig. Sie erarbeiten auch die Anwendungsvorschriften für den Pflanzenschutz. Wie die Zulassung funktioniert, lesen Sie hier. Mehr zur Rolle des Forschungsinstituts Agroscope in diesem Prozess lesen Sie hier.