Für ausländische Kunden sind Schweizer Waren ein Synonym für hohe Qualität und Zuverlässigkeit. Dies gilt auch für landwirtschaftliche Güter. Deshalb bieten Freihandelsabkommen (FHA) für die Landwirtschaft Chancen, neue Märkte und Kunden zu erschliessen. Die Schweiz strebt in der Welthandelsorganisation (WTO) nach Lösungen, um den Marktzugang von Schweizer Unternehmen zu verbessern. Weil bei den Verhandlungen seit Jahren aber kaum Fortschritte erzielt werden konnten, werden FHA mit einzelnen Ländern oder Wirtschaftsräumen immer wichtiger. Diese tragen zur Verbesserung des Marktzugangs und zu besserer Rechtssicherheit für Schweizer Firmen im Ausland bei und sichern den Wohlstand in der Schweiz. Die Schweiz ist deshalb bestrebt, ihr Netz von FHA weiter auszubauen. Dieses umfasst rund 30 Abkommen mit 40 Partnern. Zentral sind das FHA mit der EU und die Efta-Konvention mit unseren Partnern Norwegen, Island und Liechtenstein.

Freihandelsabkommen schaffen eine Win-win-Situation

Ein FHA heisst nicht einfach eine komplette Öffnung der Grenzen. Ein Abkommen ist eine verhandelte Lösung. Es basiert auf gegenseitigen Konzessionen und schafft beidseitig eine Win-win-Situation. Ein wichtiger Bestandteil eines FHA betrifft fast immer die Land- und Ernährungswirtschaft. Hier verfolgt die Schweiz in jedem FHA primär zwei Ziele: Erstens soll den Exporteuren ein besserer Marktzugang ermöglicht werden. Zweitens sollen die Importe die Verfassungsziele der Landwirtschaft nicht torpedieren. Die Schweiz bemüht sich immer, möglichst viel für unsere Agrarprodukte herauszuholen, so etwa Käse, andere Milchprodukte, Trockenfleisch, verarbeitete Produkte wie Schokolade, alkoholfreie Getränke, Zuckerwaren und Kaffee.

Öffnung gegenüber der Welt als Chance sehen

Ich kann es verstehen, dass unsere Landwirtschaft angesichts der FHA verunsichert ist. Als ehemaliger Landwirt kann ich Sie aber beruhigen: Die Landwirtschaft kann und darf diese Öffnung gegenüber der Welt als Chance und nicht als Gefahr wahrnehmen. Sie erhält Gelegenheit, mehr Wertschöpfung zu erwirtschaften und damit ihre Nachhaltigkeit zu sichern.

In den Ländern mit steigender Nachfrage nach qualitativ hochstehenden Lebensmitteln, wie etwa den Mercosur-Staaten, eröffnen sich neue Chancen für unsere Produkte. Stellen Sie sich z. B. vor: Emmentaler Käse am Karneval in Rio oder im Gourmet-Restaurant in Buenos Aires. Werden der Land- und Ernährungswirtschaft diese neuen Zugangsmöglichkeiten verwehrt, wird es bei einem späteren Marktzugang schwierig werden, die von Konkurrenten bereits besetzten Marktanteile wieder zurückzugewinnen. Unsere Hauptkonkurrenten sind dabei die EU-Länder. Auch sie stellen hochwertigen Hartkäse her. Natürlich nie so gut wie der unsrige. Aber immerhin.

Liberalisierung des Käsehandels als Beispiel des Erfolges

Mit FHA entstehen für uns neue Absatzmöglichkeiten. Als erfolgreiches Beispiel möchte ich die gegenseitige Liberalisierung des Käsehandels mit der EU nennen. Sie führte nach Abschaffung der Käseunion zu wieder steigenden Käseexporten, förderte Qualität und Innovation in der Käsewirtschaft und vergrösserte das Sortenangebot. Heute werden fast 40% der Käseproduktion exportiert, davon rund 80% in die EU. Auch die Importe stiegen – sogar überproportional. Wertmässig sind die Käseexporte aber nach wie vor grösser.

Die Schweiz importiert 40 Prozent der Lebensmittel

Mit dem Abschluss neuer FHA eröffnen sich auch neue Importmöglichkeiten. Das ist für unsere Ernährungssicherheit enorm wichtig. Nur so können wir den Verfassungsauftrag erfüllen. Immerhin importiert die Schweiz heute rund 40% der Lebensmittel. Auch viele Vorleistungen müssen importiert werden, so sind wir bei mineralischen Düngern zu 100% von Importen abhängig. Auch beim Saat- und Pflanzgut sowie bei Maschinen, Geräten und Pflanzenschutzmitteln sind die Abhängigkeiten gross. Und die Fleischproduktion ist auf den Import von Futtermitteln angewiesen. Auch beim Import von Vorleistungen sind nachhaltig produzierte, qualitativ hochstehende Produkte gefragt. So importieren wir fast nur nachhaltig produzierte Soja. Dazu hat die Schweiz verschiedene Konventionen unterzeichnet und engagiert sich international. Somit leistet sie via Handel wichtige Beiträge zur Förderung der Nachhaltigkeit weltweit.

Guy Parmelin ist Bundesrat und Agrarminister, dieser Text ist Teil einer Rede, die er kürzlich in Langnau BE hielt.