Glyphosat ist momentan Gegenstand einer hitzigen Debatte. Seit 1970 auf dem Markt ist die Chemikalie das am meisten eingesetzte Unkrautvernichtungsmittel weltweit. Einmal angewendet, verringert der Landwirt Arbeitskosten und -aufwand. Zudem ist es im Vergleich zu anderen Herbiziden schneller abbaubar und besitzt eine niedrigere Toxizität gegenüber Organismen. In der Regel sind dies wünschenswerte Eigenschaften. Doch verdichten sich seit ein paar Jahren die Anzeichen, dass das Wundermittel doch nicht so wunderbar ist, wie angenommen.

Im März 2015 veröffentlichte die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) einen Bericht, wonach Glyphosat nicht nur dem Unkraut schadet, sondern für den Menschen «wahrscheinlich krebserregend» sei. Bei den Chemiekonzernen läuteten die Alarmglocken. Bald darauf führte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) ihre eigenen Untersuchungen durch und stufte die chemische Substanz als nicht akut gesundheits-gefährdend ein. Die entsprechenden Grenzwerte, etwa durch Rückstände in Nahrungsmitteln würden bei weitem nicht erreicht, so hiess es. Allerdings bezichtigen Kritiker die Behörde, mit der Industrie unter einer Decke zu stecken. Glyphosat-Hersteller Monsanto habe Forscher dafür bezahlt, ein positives Urteil über den Unkrautvernichter zu fällen. Der IARC werden hingegen erhebliche methodische Mängel vorgeworfen. Wem soll man da noch Glauben schenken?

In der hitzigen Debatte sind sich die Wissenschaftler bis heute nicht einig, ob die Chemikalie krebserregend sei oder nicht. Die EU-Kommission muss sich allerdings bis Mitte Dezember entscheiden, ob Glyphosat weiter in den Mitgliedstaaten eingesetzt werden darf und unter welchen Bedingungen. Am Donnerstag letzter Woche sollte in Brüssel über eine Verlängerung der Zulassung von fünf Jahren entschieden werden. Jedoch kam es zu keinem Mehrheitsentscheid.

Für die Schweiz heisst es abwarten. Obwohl uns der EU-Entscheid nicht direkt treffen würde, müssten bei einem negativen Entscheid die Anforderungen für eine Zulassung der Glyphosat-Produkte auch hierzulande neu überprüft werden. Dabei ist zu sagen, dass die eingesetzte Menge im Vergleich zu gewissen europäischen Staaten bei uns noch moderat ausfällt. In der Schweiz werden jährlich rund 300 Tonnen glyphosathaltige Herbizide auf Äcker, Obstplantagen, in privaten Gärten und auf Bahndämmen versprüht. Allfällige Rückstände in Lebens- und Futtermitteln würden laut dem Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) dann sehr schnell und effizient über den Urin ausgeschieden. Einen Handlungsbedarf sieht das BLW daher vorerst nicht.

Dringender muss der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln generell Beachtung geschenkt werden. Nur durch Anwendungsfehler käme der Mensch mit Pestiziden wie auch mit Glyphosat in Kontakt. Dabei ist der Finger nicht nur auf den Landwirt zu richten, sondern auch auf den Hobbygärtner, der durch unsachgemässes Ausbringen riskiert, glyphosathaltige Herbizide unverdünnt in die Umwelt einzubringen. Um die Risiken im Einsatz von Chemikalien in der Landwirtschaft zu reduzieren, soll der kürzlich veröffentlichte Aktionsplan Pflanzenschutzmittel eine Hilfestellung sein. Während die einen diesen vielleicht befolgen, ist den anderen wie der IP-Suisse das Warten leid. Sie verbietet ihren Produzenten den Einsatz von glyphosathaltigen Herbiziden im Getreidebau.

Aber können wir uns eine Landwirtschaft ohne Glyphosat überhaupt vorstellen? Unabhängige Wissenschaftler haben ein «Was-wäre-wenn-Szenario» durchgespielt. Dabei fanden sie heraus, dass ein Verzicht auf das Totalherbizid die Ernteerträge vieler Kulturpflanzen um fünf bis zehn Prozent senken würde. Nahrungsmittelpreise stiegen in die Höhe. Ausserdem hätte ein Verzicht Auswirkungen auf die Landnutzung, die Biodiversität und die Treibhausgasemission. Auf das Pflügen als Bodenbearbeitungsmethode könnte nicht mehr verzichtet werden, was die CO2-Emissionen, den Verbrauch an fossilen Brennstoffen und die Bodenerosion ansteigen liesse. Zudem kämen bei einem Verbot Herbizid-Mischungen zum Einsatz, die eine höhere Toxizität aufweisen als Glyphosat selbst. Die negativen ökologischen Auswirkungen eines Glyphosat-Banns wären also beträchtlich.

Und was heisst das jetzt für uns? Bis ein Entscheid in Sachen Glyphosat vorliegt am besten nicht voreilig handeln, sondern «abwarten und Tee trinken», nicht aber die Hände in den Schoss legen. Mit dem Aktionsplan Pflanzenschutz liegt ein gutes Instrument vor, um das Risiko in der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln und ihren Einsatz zu reduzieren. Denn der Druck auf den Pestizideinsatz in der Schweiz dürfte weiter zunehmen. Sollte dieser zu Verboten führen, würden die Nahrungsmittelpreise steigen und die Importgeschäfte nähmen zu: Ein «Worst-Case-Szenario» ohne jegliche Garantie, dass die Produktion im Ausland unsere Qualitätsstandards überhaupt erreicht.

Katrin Erfurt