«Mir wurde die Gastronomie in die Wiege gelegt», sagt Karin Keller, deren Vorfahren in Benken 180 Jahre lang das Gasthaus Sonne geführt hatten. Die 39-Jährige bewirtschaftet zusammen mit ihrem Mann Severin in Uhwiesen im Zürcher Weinland den 50 Hektaren grossen Sunnehof. Karin Keller hat eine kaufmännische Ausbildung gemacht, lernte Landwirtin und ging auf die Bäuerinnenschule. Der Sunnehof ist in der Milchwirtschaft und in der Futterproduktion eine Betriebsgemeinschaft mit dem Schüpbach Hof in Dachsen eingegangen. Dort sind rund 70 Kühe und 35 Nachzuchttiere vom Sunnehof eingemietet. In Uhwiesen betreibt die Familie Keller Ackerbau mit acht Hektaren Kartoffeln als Hauptprodukt. Um die Fruchtfolge einhalten zu können, werden auch Getreide und Rüben angebaut. Ein weiteres Standbein sind die sieben Pensionspferde, die neben vier eigenen Pferden und einem Pony auf dem Hof leben.

Etwas Spezielles anpacken

Karin und Severin Keller haben drei Kinder (8, 10 und 12 Jahre alt) und hatten schon immer im Hinterkopf, dass sie irgendwann noch etwas Spezielles machen möchten. Als die Kinder aus dem Gröbsten raus waren, entschieden sie sich, mit «Glamping-Ferien» auf dem Bauernhof ein weiteres Standbein aufzubauen. «Glamping» steht für Glamourous Camping und beschreibt einen Modetrend des 21. Jahrhunderts, der Stil und Glamour mit Campen und Naturnähe verknüpft. Es ist eine besondere Variante des Naturtourismus, bei dem der Erfahrungshorizont erweitert werden kann, ohne dass man auf Komfort verzichten muss.

Die Familie Keller setzt auf ihrem Hof konkrete Klimaschutzmassnahmen in der landwirtschaftlichen Produktion um. Durch nachhaltigen Pflanzenanbau, moderne Tierhaltung, energieeffiziente Bewirtschaftung und die Produktion erneuerbarer Energien sollen Emissionen von Klimagasen stark reduziert werden. Karin Keller ist Vorstandsmitglied im Flaachtaler Pionierprojekt AgroCO2ncept. Dieses will die Treibhausgasemissionen auf den beteiligten Betrieben senken, CO2 speichern und mit diesen Erfahrungen einen Beitrag zum Klimaschutz in der gesamten Schweiz leisten. Das Projekt wurde kürzlich von der Europäischen Kommission als «Botschafter für ländliche Innovation» ausgezeichnet.

Schlafen im Holz-Iglu

Obwohl im Kanton Zürich kein Wirtepatent mehr verlangt wird, hat die Sunnehof-Gastgeberin einen Fernkurs absolviert. Im Winter 2018 /2019 wurde der ehemalige Kuhstall in Eigenarbeit umgebaut. Es entstanden ein grosser Aufenthaltsraum mit Küchenzeile, Lese- und Spielecke, ein Waschraum mit Dusche und WC sowie eine zusätzliche Toilette. Bewusst wurde auf einen Fernseher verzichtet. «Die Kinder sind bei uns am Abend so nudelfertig, da braucht es keinen Fernseher mehr», sagt Karin Keller. W-LAN ist allerdings auch auf dem Bauernhofurlaub nicht mehr wegzudenken und kostenloser Standard. Ganz untypisch und ein Alleinstellungsmerkmal für Urlaub auf dem Bauernhof sind die Schlafstätten. Auf dem Hof stehen drei sogenannte «Pod»-Campinghäuschen.

Die isolierten und beheizbaren Holz-Iglus verfügen über Strom und Licht. Zwei sind mit Doppelbetten ausgestattet und eins mit einem Matratzenlager für Kinder. Zudem hat jedes Häuschen einen kleinen überdachten Sitzplatz für zwei Personen. Auf dem Hofgelände be-findet sich ein Gemüse- und Obstgarten mit einem Spielplatz mit Riesentrampolin und einem grossen Sandkasten mit entsprechendem Spielzeug. Ein kleiner Pool sorgt bei den jungen Besuchern für weiteren Spass.

Zu entdecken gibt es viel

Die Feriengäste können sich auf dem gesamten Hofgelände bewegen. Davon ausgenommen ist lediglich die Pferdepension. Die Kinder können Karin Keller und ihre Mutter Ursula Götz beim Füttern der 20 Hühner, zwei Zwergziegen und zwei Hasen behilflich sein. Zudem können sie sich an Katze Nemo, Hund Chica und Pfau Otto erfreuen. Der Tag beginnt mit einem üppigen Frühstück mit regionalen Produkten, die überwiegend von den benachbarten Hofläden bezogen werden.

Der Sunnehof liegt naturnah und zentral für verschiedenste Aktivitäten. Auf dem ausgeschilderten Reb- und Bänkliweg und dem nahegelegenen Weiher kann man eine Auszeit vom Alltag nehmen und besondere Wohlfühlmomente geniessen. Aktivurlauber können das Zürcher Weinland mit den traditionellen Riegelhäusern, den Rheinfall, die Klosterinsel Rheinau oder die Bodenseeregion mit dem malerischen Städtchen Stein am Rhein erkunden. Die lauen Sommerabende klingen meistens in der Grillecke bei einem Gläschen hauseigenem Wein aus.

Das Angebot ist gut gestartet

Die erste Saison dauerte im letzten Jahr von April bis Oktober und ist gut angelaufen. Es kamen zahlreiche Velotouristen, die auf der Radroute Bodensee−Schaffhausen−Basel unterwegs waren sowie Familien mit Kindern, die keinen gewöhnlichen Urlaub von der Stange wollten. Von Oktober bis Januar wurde ein Häuschen von einem Forstlehrling als günstige Unterkunft gemietet. «Heute sind meine drei Kinder die besten Hilfskräfte», sagt Karin Keller, die bis vor ein paar Jahren noch einen guten Bürojob hatte.

Während der Corona-Pandemie durfte sich allerdings nur eine Familie auf dem Platz aufhalten. «Die Buchungen laufen aber trotz der Corona-Krise gut, weil unser Bauernhof ein geschützter Raum ist», sagt Karin Keller. Von der Corona-Krise erwartet sie für die Tourismusbranche aber allenfalls einen kurzen Aufschwung, der wieder verfliegen und wohl keine Nachhaltigkeit mit sich ziehen wird.

Beste Werbung

Der Sunnehof ist bereits seit letztem Jahr Mitglied beim Verein Ferien auf dem Bauernhof. Auf der Internetplattform «Bed and Breakfast Switzerland» hat der Sunnehof von maximal zehn Sternen eine Durchschnittsbewertung von 9,9 Sternen. Das ist für die Familie Keller der Beweis, dass sie den richtigen Weg eingeschlagen hat.

Im nächsten Jahr soll der Glamping-Platz mit einem Vier-Bett-Pod für rund 20 000 Franken erweitert werden. «Man wird nicht reich, aber die Arbeit macht riesigen Spass», sagt Karin Keller, die bekanntlich die Gastronomie im Blut hat.