Sollen in der Schweiz gentechnisch veränderte Organismen (GVO) in der Landwirtschaft angebaut werden? An dieser Frage scheiden sich seit Jahren die Geister. Zahlreiche Studien, Workshops, Vernehmlassungen und Parlamentsdebatten zum Trotz ist noch keine Antwort gefunden. Der kleinste gemeinsame Nenner ist das Moratorium. Dort knüpft auch der Bundesrat mit seiner Vorlage an. Er schlägt eine erneute Verlängerung um vier Jahre vor. Danach soll das Gentechnikgesetz endlich eine Antwort liefern.


GVO-Anbaugebiete zulassen


Zumindest in einem Punkt waren sich die Mitglieder der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrates vergangene Woche einig: Man will über die Gentechnik diskutieren. Das Eintreten auf die Vorlage des Bundesrats war ohne Gegenstimme unbestritten. Spätestens bei der Detailberatung dürfte es schwieriger werden.

Die Landesregierung hat beschlossen, am Verbot des GVO-Anbaus festzuhalten. «Da insbesondere im Hinblick auf die Koexistenz nach wie vor
Unsicherheiten und Zweifel bestehen, muss das derzeitige Moratorium bis 2021 verlängert werden», schrieb der Bundesrat in einer Mitteilung. In der Zwischenzeit will er Rahmenbedingungen ausarbeiten, die eine kontrollierte Einführung von GVO ermöglichen.

Konkret sollen GVO-Kulturen nur in speziell geschaffenen GVO-Anbaugebieten zugelassen werden. Ackerflächen, auf denen GVO-Sorten angebaut werden, würden zusammengefasst und unter eine erhöhte Kontrolle gestellt. Diese GVO-Anbaugebiete sollen auf Begehren von Landwirten geschaffen werden. Der Bundesrat erhofft sich durch dieses Vorgehen, dass sich die Trennung von GVO- und herkömmlichen Pflanzen vom Feld bis auf den Teller kontrollieren lässt. Der Inhalt der Verordnung soll zu einem späteren Zeitpunkt definiert werden.


«Koexistenz nicht praktikabel»


Für den Schweizer Bauernverband (SBV) ist dieses Vorgehen, ein Gesetz auf Vorrat zu entwerfen, unverständlich: «Die Ausgestaltung der detaillierten Regelungen läge beim Bundesrat. Das ist zu viel Entscheidungskompetenz», erklärt Barbara Steiner, zuständig für die Gentechnik beim SBV. Das Parlament würde damit in einer für Landwirtschaft und Konsumenten zentralen Frage ausgehebelt, moniert der SBV.

Eine zufriedenstellende Regelung für eine Koexistenz in der Schweiz wird es ohnehin schwierig haben. Das zeigten die Diskussionen in der Vergangenheit, wo sämtliche Vorschläge abgeschmettert wurden. «Die Koexistenzregelung ist nicht praktikabel», sagt Steiner. Zudem sei der Kosten-Nutzen-Bericht des BLW zum Schluss gekommen, dass der administrative Aufwand bei einer Koexistenz enorm hoch sei.


Bessere Chancen als die Koexistenz hat die Moratoriumsverlängerung. Diese wird auch vom SBV begrüsst. Es sei nicht absehbar, dass in den nächsten vier Jahren GVO-Pflanzen auf den Markt kommen würden, die die Grundhaltung der Konsumenten und Landwirte verändert. Der SBV würde daher auch ein unbefristetes Moratorium begrüssen. «Wichtig ist, dass die Schweiz GVO-frei bleibt», so Steiner.


Debatte in der Wintersession


Interessanterweise kommt auch der Bericht des Bundesamts für Landwirtschaft zum Schluss, dass der Anbau von GVO in der Schweiz nicht rentabel ist (siehe Kasten). Ein Hauptproblem sind die angrenzenden Produktionsketten, die ebenfalls in GVO und GVO-frei aufgeteilt werden müssten.

Trotzdem schlagen die Autoren eine Anpassung vor, da man für künftige Entwicklungen bereit sein solle. Auch der Bundesrat will gewappnet sein, falls die Akzeptanz von GVO bei den Konsumenten zunehmen sollte. Denn derselbe Konsument steht dem Einsatz von GVO im medizinischen

Bereich (rote Gentechnik) sogar positiv gegenüber. Dies sei ein entscheidender Faktor im Hinblick auf die Zukunftsfähigkeit von GVO im Agrarsektor. In diesem Zusammenhang dürften neue Entwicklungen ebenfalls Chancen haben, wie beispielsweise die Crispr-Cas-Methode. Bei dieser Methode streiten sich die Experten, ob es überhaupt Gentechnik ist oder nicht.


Der Nationalrat wird in der Wintersession über das Gentechnikgesetz debattieren. Wie die Diskussion verlaufen wird, ist schwierig abzuschätzen. «Weil keine GVO-Züchtungen mit Nutzen für die Schweiz vorhanden sind, sollte es aber mindestens zu einer Verlängerung des Moratoriums und zu einer Streichung der Koexistenzregelungen reichen», vermutet Barbara Steiner.

Julia Overney