Der Gegenvorschlag des Bundesrates nehme einige der Forderungen aus der Initiative auf, die von hoher Relevanz seien, heisst es in einer Mitteilung des Schweizer Heimatschutzes im Namen des Trägervereins der Initiative, dem ausserdem BirdLife Schweiz, Pro Natura und die Stiftung Landschaftsschutz Schweiz angehören. Die Vernehmlassungsfrist für den Gegenvorschlag lief am Freitag ab.

So lege der Bundesrat einen Schwerpunkt auf die Flächensicherung und damit auf die ökologische Infrastruktur für die Biodiversität. Dabei sei entscheidend, die noch wertvollen Flächen wirksam zu sichern und eine funktionale ökologische Infrastruktur aufzubauen. Das Flächenziel des Bundesrates bleibe dabei aber quantitativ und qualitativ hinter den tatsächlichen Erfordernissen zurück.

Die Volksinitiative «Für die Zukunft unserer Natur und Landschaft» (Biodiversitätsinitiative) war Anfang September vergangenen Jahres mit 108'112 Unterschriften vom Trägerverein «Ja zu mehr Natur, Landschaft und Baukultur» eingereicht worden. Mit einer Anpassung der Bundesverfassung will die Initiative den Bund und neu auch die Kantone zum Schutz und zur Schonung von Biodiversität und Landschaft verpflichten. Sie fordert dafür mehr Gelder der öffentlichen Hand.

Der Bundesrat schlägt vor, dass Biodiversitäts- und Schutzgebiete insgesamt 17 Prozent der Schweizer Landesfläche ausmachen sollen. Derzeit liegt der Anteil dieser Schutzflächen bei 13,4 Prozent. Das Ziel von 17 Prozent ist nicht neu: der Bundesrat hatte es bereits 2012 in seiner Strategie Biodiversität Schweiz festgelegt.

Die Grünen begrüssen zwar die Stossrichtung des bundesrätlichen Gegenvorschlags. Allerdings reiche es nicht, «die bisherige - offensichtlich ungenügende - Politik gesetzlich festzuschreiben und sie geringfügig mit dem ökologischen Ausgleich in Siedlungen und Agglomerationen zu stärken», heisst es in einer Mitteilung der Partei. Zudem fehle die ökologische Infrastruktur von Schutz- und Vernetzungsgebieten als zentrales Element.

Grüne, SP und GLP fordern mehr geschützte Fläche

Die Grünen schlagen vor, das Flächenziel für die Schutzgebiete ebenfalls in ein revidiertes Landwirtschaftsgesetz aufzunehmen und es als Zwischenziel zu formulieren. Dabei solle es von den vom Bundesrat vorgeschlagenen 17 Prozent auf 20 Prozent der Landesfläche erhöht werden.

Ins gleiche Horn stossen die Grünliberalen: Sie unterstützen laut Mitteilung das langfristige Flächenziel von 30 Prozent gemäss der Biodiversitätskonvention der Uno, das nicht nur von der EU, sondern auch von der Schweiz offiziell unterstützt werde. Kaum ein anderes OECD-Land habe nämlich so einen schlechten Zustand der Biodiversität wie die Schweiz.

Es sei daher für die Grünliberalen unverständlich, dass der Bundesrat in der Revision des Natur- und Heimatschutzgesetzes (NHG) nur ein Flächenziel für den Schutz der Kerngebiete von 17 Prozent bis 2030 fordere. Auch die SP verlangt ein Zwischenziel von mindestens 20 Prozent bis 2030.

Für einen zielführenden indirekten Gegenvorschlag reiche es nicht, wenn der Bundesrat bei der Biodiversität nur seine bisherige Politik bestätige und neu in erster Linie eine Stärkung des ökologischen Ausgleichs in Siedlungen und Agglomerationen vorsehe, schreibt die SP weiter.

Ablehnung bei SVP, FDP und Mitte

Die SVP lehnt den Gegenvorschlag des Bundesrates zur Biodiversitätsinitiative «entschieden» ab, wie sie in einer Mitteilung schreibt. Dieser dürfe nicht «zu starken Nutzungsbeschränkungen und materiellen oder gar formellen Enteignungen» privater Eigentümer oder Berechtigter führen.

Ausserdem sei trotz intensiver Bemühungen im Sinne der Biodiversität schon wieder die Landwirtschaft erheblich betroffen. Drittens gefährde die Vorlage eine sichere Stromversorgung, indem insbesondere Wasserkraftprojekte erschwert oder gar verunmöglicht würden. Und schliesslich würden sich aus der Vorlage erhebliche Plan- und Rechtsunsicherheiten ergeben.

Auch der Schweizerische Gewerbeverband (SGV) lehnt die Revision des NHG und den indirekten Gegenvorschlag ab. Er stellt fest, dass der Bundesrat die Initiative nur aus formalen Gründen ablehne. Sein indirekter Gegenvorschlag nehme jedoch ihre interventionistischen und zentralisierenden Absichten auf. Damit werde das NHG mit systemfremden Elementen überladen.

Die FDP stimme zwar mit der Analyse des Bundesrates überein, dass die Biodiversität in der Schweiz sich heute in einem besorgniserregenden Zustand befinde, schreibt die Partei in einer Mitteilung. Die Schweiz habe bis Ende 2020 nur wenige der nationalen Biodiversitätsziele erreicht und komme auch seiner Verpflichtung im Rahmen der internationalen Biodiversitätskonvention nicht nach. Der Handlungsbedarf sei somit für die FDP klar gegeben.

Der Ergänzung eines nationalen Flächenziels von 17 Prozent im NHG stimmt die FDP zu. Zur Erreichung dieses Zieles brauche es aber deutlich mehr Flexibilität und vor allem eine vertiefte Auseinandersetzung über die Anrechnung der aufgelisteten Gebiete. So sollten die Biodiversitätsförderflächen der Landwirtschaft vollständig angerechnet werden. Wiederum lehnt die FDP «die sachfremde Förderung der Baukultur» im NHG ab.

Die Mitte-Partei beurteilt den bundesrätlichen Gegenvorschlag ebenfalls «kritisch», wie sie in einer Mitteilung schreibt. Dieser würde die Kompetenzen des Bundes zum Nachteil der Kantone und somit auch zum Nachteil eines praxisnahen, auf Lokalkenntnisse aufbauenden Naturschutzes ausweiten.