Gäste am 10. Freiämter Agro-Träff zum Thema «Loslassen» waren zwei Personen mit ganz unterschiedlichen Lebensentwürfen und -erfahrungen. Hier die 25-jährige Julia Gisler, Bergbäuerin auf dem Oberaxen oberhalb von Flüelen. Dort der 65-jährige Werner Isch, der den Hof bereits mit 50 Jahren der Tochter und dem Schwiegersohn übergeben und einen Gastrobetrieb aufgebaut hat. Befragt wurden die beiden von Adrian Krebs, Chefredaktor der BauernZeitung.

Ein Dok-Film mit Folgen

In den Fokus einer breiten Öffentlichkeit geriet die junge Urnerin Julia Gisler durch den berührenden Dokumentarfilm «Der Wildheuer» von Beat Bieri, der die Familie Gisler porträtierte. Noch bevor er ausgestrahlt wurde, stürzte ihr Vater im Sommer 2016 bei dieser gefährlichen Arbeit zu Tode. Die ausgebildete Landwirtin übernahm deshalb vor drei Jahren unerwartet früh den Betrieb mit 15 Mutterkühen, elf Hektaren Land, gleich viel Wildheufläche und einer kleinen Alp. Das Kalbfleisch wird selber vermarktet.

Mit Abdankung ergänzt

Der Film wurde schliesslich im Jahr 2018 gesendet, ergänzt mit Ausschnitten aus dem Abdankungsgottesdienst. Ob die Ausstrahlung wieder alles auf­gewühlt habe oder Teil der Verarbeitung war, fragte der Moderator. «Beides», entgegnete Julia Gisler. «Der Entscheid wurde uns überlassen. Wir waren damit einverstanden, weil er viele schöne Momente enthält, die wir mit andern Leuten teilen wollten.» Anfang 2018 wurde sie von der Leserschaft des «Urner Wochenblatts» zur Urnerin des Jahres gewählt. Sie werde zwar häufig darauf angesprochen. Das heisse aber nicht, dass man dafür etwas Besonderes geleistet habe. «Auf meinen Alltag hat es keinen Einfluss.»

In den Bergen verwurzelt

Der Tod des Vaters sei wie ein böser Traum gewesen, das Trauern ein langer Prozess mit extremen Auf- und Ab-Phasen. «Es blieb gar nicht richtig Zeit dazu. Wir mussten einfach weiter funktionieren.» Dass sie das Wildheuen in den steilen Hängen aufgibt, kommt für sie nicht in Frage. «Es heisst ja nicht, dass uns das Gleiche zustösst. Unfallgefahren lauern auch anderswo.» Diese und andere Aussagen unterstrichen, wie verbunden sie mit ihrem Heimet auf 1000 Metern Höhe und der Arbeit ist. Sie habe nicht das Gefühl, in ihrem Leben etwas verpasst zu haben. «Ich bin hier verwurzelt und zufrieden mit der Situation, wie sie ist.» Allerdings unterstrich sie auch, wie wichtig ihr Partner ist: Den Betrieb als Frau alleine zu führen, kann sie sich nicht vorstellen. Sie braucht den Austausch und schätzt es, Entscheide gemeinsam zu treffen.

«Das Trauern war ein langer Prozess.»

Julia Gisler über die Zeit nach dem Tod ihres Vaters.

Die Weichen neu gestellt

Werner Isch war bereits in jungen Jahren in einem Kibbuz in Israel und nach der Lehre auf einer grossen Farm in Kanada tätig. In seiner Familie haben frühe Betriebsübergaben Tradition: Er selber übernahm den elterlichen Hof mit 26 Jahren und gab ihn mit 50 an seine Tochter und den Schwiegersohn weiter. «Bauer ist ein wunderschöner Beruf», betonte er. Trotzdem entschieden er und seine Frau sich ebenfalls für die frühe Übergabe und bauten den Eventgastrobetrieb Ischhof auf. In diesem Metier hatten sie zuvor bereits mit 1.-August-Brunchs und Apéros Fuss gefasst.

Vieles neu gelernt

«Bis 50 durfte ich bauern, nachher musste ich lernen zu arbeiten», scherzte er und präzisierte: «Als Bauer war ich der Chef, in der Gastronomie musste ich Vieles neu lernen.»

Trotzdem hält er rückblickend den Umstieg für richtig. Denn er vertritt die Meinung, dass Hofübergaben zu oft zu spät erfolgen: «Die Nachfolger sind top ausgebildet, nehmen aber notgedrungen auswärts einen Job an. Wenn diese Situation jahrelang andauert, wollen sie häufig nicht mehr zurück.» Er sei sehr gerne Betriebsleiter gewesen, resümierte er, aber: «Ich glaube, 15 Jahre später wäre mir der Schritt viel schwerer gefallen.»