Auf dem Spielhof der Familie Gysin, der mitten in einem Obstgarten aus vorwiegend alten, hochstämmigen Zwetschgenbäumen liegt, begrüsste FRUCTUS-Präsident Kaspar Hunziker die Gäste zur Kürung der Hauszwetschge, der Schweizer Obstsorte des Jahres 2018. Max Salathé, Baumschulist aus Diegten und Dora Meier, Initiantin des Projekts POSAMENTER, gaben Einblick in die lange Geschichte dieser alten Obstsorte, die während Jahrhunderten begehrt war und in wenigen Jahren beinahe in Vergessenheit geraten ist.

 

Grosse Sortengruppe mit Varietäten

Die Hauszwetschge wird im 17. Jahrhundert erstmals pomologisch erwähnt und entwickelte sich in Mitteleuropa zu einer grossen Sortengruppe mit unzähligen Typen. Die in der Schweiz bekannten Hauszwetschgentypen können nach den aktuellen Methoden genetisch kaum unterschieden werden. Grund dafür ist die hohe Selbstfruchtbarkeit und die genetische Stabilität der Hauszwetschge, deren Nachkommen sehr ähnliche Eigenschaften wie der Mutterbaum zeigen. Jungbäume konnten deshalb auf den Bauernhöfen nachgezogen werden und es entstand eine Fülle an Hofsorten, die perfekt an einen Standort angepasst waren, aber kleine Unterschiede in der Grösse, der Farbe des Fruchtfleisches oder im Geschmack zeigten. Im Lauf der Zeit erhielten vermeintlich „neue“ Sorten Namen wie Schöne von Bibern, Prune Eyholzer oder Blaue Zuckerzwetschge und andere. Sie gehören aber alle zur Sortengruppe Hauszwetschge, wie FRUCTUS betont. 1970 selektionierte die Forschungsanstalt Wädenswil (heute Agroscope) aus den vielen Typen zwei mit besonders guten Eigenschaften, die Typen Rinklin und Rudin.

Eine Zwetschge mit Charakter

Die eher kleinfrüchtige Hauszwetschge, die erst ab Mitte September reif wird, hebt sich mit einem ausgewogenen Verhältnis von Zucker und Säure sowie einem ausgezeichneten Aroma von anderen Sorten ab. Die Früchte sind gut steinlöslich und zerfallen beim Kochen nicht, was sie einst zur beliebtesten Konservenfrucht machte. Getrocknete Hauszwetschgen gehören zu den besten Dörrfrüchten und lassen sich, wieder eingeweicht, zu aromatischen Produkten weiterverarbeiten. Davon konnten sich Gäste auf dem Spielhof gleich selber überzeugen und die zum Degustieren angebotenen Produkte wie Konfitüre, Kompott, Trockenfrüchte und der Hauszwetschgenbrand fanden grossen Anklang.

Fast vergessen und wiederentdeckt

Zwetschgen werden seit gut 35 Jahren vorwiegend in Intensivanlagen und auf niederstämmigen Bäumen angebaut, traditionelle Zwetschgensorten sind fast nur noch an Wochenmärkten oder direkt ab Hof erhältlich. Seit 2005 das Importverbot für Industrieobst aufgehoben wurde, stammen die Zwetschgen aus der Dose nicht mehr von den Hauszwetschgenbäumen der Nordwestschweiz, sondern werden kostengünstiger aus dem EU-Raum importiert. Als Folge dieser Entwicklungen sind tausende von hochstämmigen Zwetschgenbäumen gerodet worden.

Das Verschwinden der markanten Hochstammbäume und den damit verbundenen Verlust der Biodiversität wollte Dora Meier nicht hinnehmen und startete 2005 das Projekt POSAMENTER mit dem Ziel, neue Absatzkanäle für die noch verbliebenen Hochstamm-Zwetschgen zu erschliessen. Heute vermarktet die POSAMENTER GmbH gemeinsam mit dem Förderverein Hochstammprodukte Oberbaselbiet jährlich rund 12’000 kg verarbeitete Zwetschgen, vorwiegend der Sorten Bühler- und Hauszwetschge. Die Verarbeitung erfolgt in Handarbeit und weil als Tafelobst nicht mehr gefragt, werden aus den aromatischen Hochstammfrüchten in Zusammenarbeit mit Kleinunternehmen exklusive Produkte hergestellt, die in der Region sowie an Messen und Märkten vertrieben werden.

Robuste Sorte mit Zukunft

Dass die Hauszwetschge im Anbau genügsam ist, zeigt ein Blick in die Umgebung des Spielhofs, wo auch an wenig günstigen Standorten vitale Hochstämmer gedeihen. Bewirtschafter Jürg Gysin weist darauf hin, dass das Blattwerk robust ist, wenig Pflanzenschutz benötigt und die Bäume bei gutem Blühwetter regelmässige Erträge liefern.

Wie FRUCTUS betont, ist die Hauszwetschge eine unkomplizierte Allrounder-Sorte, die für den Anbau im extensiven Feldobstbau und im Hausgarten gleichermassen geeignet ist. Dass die verarbeitende Branche wieder vermehrt nach Hauszwetschgen von hochstämmigen Bäumen verlangt, ist erfreulich und bestärkt FRUCTUS in ihren Bemühungen, diese traditionsreiche Zwetschgensorte zu fördern.

pd