«Ja, manchmal fragen wir uns, ob wir es sind, die hinter dem Mond wohnen, oder ob es die anderen sind», antwortet Andrea Nussbaumer vom Wuesthof auf die Bemerkung, sie lebten wirklich abgelegen. «Die Abgeschiedenheit auf 800 Metern über Meer bringt Vor- und Nachteile», fährt sie weiter, «beispielsweise ist der Schulweg für unsere vier Kinder Padri (11), Kathrin (9), Luzia (7) und Flurin (6) anspruchsvoll.» Rund eine Viertelstunde brauchts, um mit dem Familienauto ins Dorf zu gelangen. Im Winter etwas länger. 

Die Kinder fahren teils mit dem Velo in die Schule. Mittags holt sie der Grossvater nach Hause. Dafür haben Nussbaumers einen passenden Veloanhänger gekauft. Andrea lacht: «Man arrangiert sich halt.» Donnerstags bleiben die Kinder unten im Dorf, wo sie bei einer anderen Familie essen. Dafür kommen jene Kinder am Montag zum Mittagstisch auf den Wuesthof. Das gebe den Müttern quasi einen Tag frei.

Ursprünglich Pflegefachfrau gelernt

Einen grossen Vorteil in der Lage des Hofs sieht die Familie in der vielfältigen Wildtierwelt. Dort oben begegnen sich Fuchs, Wildschweine, Rehe, Hasen, Luchs, Gämsen. Wie zur Bestätigung tritt ein Rudel Gämsen aus dem Wald und weidet in Nussbaumers Wiese. Klar würden sie auf ihren Weiden äsen, meint Andrea, doch die Vorteile für die Kinder, in dieser «Wildnis» aufzuwachsen, würden vorläufig überwiegen. Auffallend ist auch der Vogelgesang; man hört unterschiedlichstes Gezwitscher. 

Weiter schwärmt die junge Frau von der mannigfaltigen Wildflora, die hier recht gut geschützt sei. Sie erinnert sich, als Roman sie das erste Mal auf den Hof führte. Es dünkte sie so weit, so fern, so viel Natur rundherum. Zuerst habe sie geglaubt, er wolle ihr seine Gegend zeigen. Schliesslich sei er auf den Hofplatz gefahren, und sie habe sofort das Gefühl gehabt, dass sie hierher gehöre. Dieser Eindruck sei bis heute tief in ihr drin. 

Sie kam vor 15 Jahren von Schübelbach in der March im Kanton Schwyz in den Bezirk Olten. Sie wuchs als Bauerntochter auf und machte eine Lehre als Pflegefachfrau. Roman lernte sie im Lager der Landjugend Ende des Jahres 1995 kennen. Sie konnte sich immer vorstellen, einen Bauern zu heiraten, aber es musste nicht unbedingt sein.


Mit den Eltern unter einem Dach

Im Bauernhaus wohnen auch Romans Eltern Ruth und Sepp Nussbaumer. Anfangs wollten es die beiden Frauen besonders gut machen, was nicht immer geriet. Der Ausgleich zwischen Nähe und Distanz habe sich dank Betrachtung, Nachdenken, Erfahrung und mit der Zeit ergeben.

Denn das Zusammenleben bringe durchaus auch Vorteile. Der Vater ist noch engagiert auf dem Betrieb, und die Mutter erledigt die Flickarbeiten, wofür die junge Familie dankbar ist. Auch ist Grossmutters Schoss von den Kindern weiterhin begehrt. Vor zwei Jahren wurde die untere Wohnung altersgerecht umgebaut für die Schwiegereltern.

Vor einem halben Jahr wählte die Katholische Bauernvereinigung des Kantons Solothurn And­rea Nussbaumer zur Präsidentin. Dort ersetzte sie vor rund zehn Jahren ihre Schwiegermutter im Vorstand. Andrea Nussbaumer freut sich, dass alle Vorstandsmitglieder ihre Unterstützung zugesagt haben.

Die Vereinigung hat im Kanton Solothurn ein politisches Gewicht und stellt seit Jahren eine(n) Nationalrat(rätin). Daneben setzt sich die Bäuerin ein im Vorstand bei der Katholischen Frauengemeinschaft Hägendorf. «Weil es auch die CVP-Bäuerinnen braucht», ist sie überzeugt. 


Ihr grösstes Hobby ist die Familie. Sie gehen gerne zusammen wandern, Velo fahren und baden. Ein-, zweimal jährlich machen sie Kurzferien bei ihren Eltern. Das gibt ihr Gelegenheit, «alte» Kontakte zu pflegen. Als Abwechslung zum Arbeitsalltag laden sie gern Gäste ein auf den Hof. 

Überzeugungen hinterfragen

Andrea Nussbaumer befasst sich mit Spiritualität und besucht Veranstaltungen von «The Work». «Es ist ein Weg, der zum inneren Frieden führen kann», hält sie fest, «man bleibt offen für die Mitmenschen und für andere Wahrheiten.» «The Work» wurde von Katie Byron begründet und ist eine Methode, die davon ausgeht, dass Menschen leiden, wenn sie stressbehaftete Überzeugungen haben, und dass das Hinterfragen dieser Überzeugungen Veränderungen bewirken kann.  

Benildis Bentolila