Eine Schlittenfahrt im Winter wäre doch ein ganz besonderes Naturerlebnis. Erst recht, wenn man noch in der Nähe vom Nobelort Gstaad BE zu Hause ist. Dies hat sich auch Johann von Grünigen, Landwirt aus Turbach BE gedacht. Vor fast 30 Jahren, genau 1992, kam ihm die funkelnde Idee, es einmal mit den Kutschenfahrten im Winter zu versuchen. «Einen alten Schlitten und ein Pferd hatte ich schon. Warum also nicht einmal nach Gstaad fahren, um zu schauen, ob die vielen Feriengäste nicht doch eine Schlittenfahrt buchen wollen», sagt von Grünigen. Am Anfang habe er manchmal nichts verdient oder vielleicht einen Taglohn von 20 Franken eingenommen.

Erstaunlich gutes Weihnachstgeschäft

Vor 30 Jahren noch eine «Schnapsidee» – heute ist die Schlittenfahrt für Johann und Anita von Grünigen zu einem wichtigen Betriebszweig geworden. Die Bergbauernfamilie besitzt mittlerweile drei Schlitten, einen Fonduewagen und zwei Pferde. Während der Saison werden noch vier weitere Pferde dazugemietet und das ganze Team auf fünf Personen aufgestockt. Neben dem Organisieren und Planen ist in diesem Winter zusätzlich auch noch die Corona-Pandemie dazugekommen. «Im Allgemeinen dürfen wir uns nicht beklagen», hält Johann von Grünigen fest. Das Weihnachtsgeschäft lief erstaunlich gut, ab Mitte Januar sei die Nachfrage dann etwas eingebrochen. Über die Festtage seien es vor allem Feriengäste, welche in Gstaad ein Chalet besitzen. Diese reisen dann meistens Anfang Januar wieder ab. «Dieses Jahr fehlen uns vor allem die Gäste für am Abend», bemerkt von Grünigen. Der Grund sei, dass die Restaurants geschlossen haben und die Feriengäste im Hotel oder im eigenen Chalet essen würden. «In anderen Jahren konnten wir viele Touristen am Abend per Schlitten zum Restaurant führen oder sie genossen ein Fondue in unserem geheizten Fonduewagen», sagt der Landwirt. Schlussendlich müsse er für diese Saison doch einen Verlust in Kauf nehmen. Ein Grund sei auch, dass sich in dieser Saison weniger ausländische Feriengäste in Gstaad aufhalten würden.

Abklären was erlaubt ist

Bevor Johann von Grünigen die diesjährige Saison überhaupt starten konnte, musste er zuerst genau abklären, ob seine Schlittenfahrten überhaupt Corona-konform seien. «Wir mussten quasi ein Schutzkonzept ausarbeiten», sagt der Kutscher. Bei der Polizei habe er sich genau erkundigt, was er für sein Business benötigt. «Von einer Maskenpflicht über die Möglichkeit zum Hände desinfizieren bis hin zur fünf-Personen-Regel mussten wir alles berücksichtigen», so der Landwirt. Obwohl Johann von Grünigen alle Schutzkonzepte einhielt, durfte er eines nicht: Den Fonduewagen durfte er diese Saison nicht einsetzen. «Unser Fonduewagen mit 16 Sitzplätzen läuft unter der Rubrik Restaurant», so von Grünigen. Hingen seien die anderen drei Schlitten unter dem Taxireglement registriert. «Dass wir den Fonduewagen nicht einsetzen dürfen, hat uns schon etliche Aufträge gekostet», so der Landwirt.

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Hier wartet Johann von Grünigen vor dem Hotel Palace in Gstaad geduldig auf die Kunden. (Bild von Grünigen)

Flexibel sein für die Gäste

Zirka bis Mitte März dauert die Schlittenfahrtensaison noch an. Johann von Grünigen hofft natürlich, dass es mindestens so weitergeht wie bisher. «Wenn du als Kutscher unterwegs bist, musst du ziemlich flexibel sein», sagt er. Denn die Kunden würden nicht nur über Website buchen, sondern spontan über das Telefon eine Schlittenfahrt reservieren. «Dann solltest du innerhalb einer Stunde mit dem Zweispänner am Bahnhof in Gstaad oder sonst irgendwo sein», sagt von Grünigen lachend. Nach fast 30 Jahren als Kutscher weiss er mittlerweile, welche Wünsche die Kunden haben. «Als ich 1992 mit der Kutscherei angefangen habe stellte ich als Kälteschutz Militärdecken zur Verfügung. «Die kamen aber gar nicht gut an bei den noblen Hotelgästen», weiss er noch. Heute sind alle Schlitten mit weissen Fellen ausgestattet. «Auch ich musste mich diesbezüglich belehren lassen», sagt er. Auch die Feriengäste seien durch ihre Herkunft sehr unterschiedlich. «Wir haben hier in Gstaad ein sehr internationales Publikum.» Viele Feriengäste seien aus Russland, Indien oder aus dem arabischen Raum. Einige würden während der Schlittenfahrt ein Taxi bestellen und einige Araber wünschen sich als Kutscher keine Frau. «Man muss halt die Leute so nehmen, wie sie sind», so der Landwirt.

Die ganze Familie, inklusive Hund

Damit Johann von Grünigen seinen Betrieb und die Schlittenfahrten unter einen Hut bringen kann, ist er auf seine Familie angewiesen. «Ohne mein Frau Anita könnte ich diesen Nebenerwerb nicht führen», sagt er klar und deutlich. Da er in der Saison den ganzen Tag auswärts sei, schaue seine Frau Anita zu Hause zum rechten. «Im Winter melkt meistens meine Frau unsere Kühe und besorgt den Stall», sagt der Landwirt anerkennend. Aber auch die Schlittenfahrten kann von Grünigen nicht alleine bewältigen. «Wir sind ein sehr gutes Team von fünf Personen, die ich je nach Bedarf engagieren kann», hält er fest. Auch auf einen weiteren Mitfahrer konnte Johann von Grünigen jahrelang zählen: Auf seinen Hund Nico. «Ja, der sass immer neben mir auf dem Bock und hat quasi durch seine liebe Art die Kunden angezogen», sagt der Landwirt. Leider starb Nico im hohen Alter von 15 Jahren. Aber vielleicht wird schon bald ein neuer Hund neben Johann von Grünigen auf dem Bock seines Schlittens sitzen.

Weitere Informationen: www.gstaadschlittenfahrten.ch