Ein Berg von Kartoffeln und Karotten türmt sich in der Annahmestelle der Bioenergieanlage im Industriegebiet Bätterkinden BE. Aus organischen Abfällen wie diesen, werden Strom, Wärme und Dünger produziert. Auch Kaffeesatz, aktuell häufig Getreideabgänge aus den Mühlen oder Getreidesammelstellen, Zwiebeln und Molkereiabfälle werden verwendet. Doch immer häufiger wird Kritik laut, dass auf solchen Betrieben wertvolle Lebensmittel vergast würden. Selbst der Betriebsleiter Samuel Fischer findet die Kritik gerechtfertigt.

Wäre das Gemüse, welches Sie vergasen, noch essbar?

Samuel Fischer: Nein, es sind Waren, die nicht mehr für die technische Verwertung gebraucht werden können – weder für Mensch, noch für Tier. Es ist eine Aufbereitung nötig, so dass die Ware in der Biogasanlage verwendet werden kann.

Es gibt Projekte, die Lebensmittelabfälle beispielsweise zu Säften verarbeiten. Wäre dies nicht sinnvoller, als die
Lebensmittel zu vergasen?

Das ist schwierig abzuschätzen. Als Bauer bin ich selbstverständlich dafür, dass die landwirtschaftlichen Produkte für die Ernährung eingesetzt werden. Nur für die Biogasanlage zu produzieren, wird in der Schweiz ja auch nicht gemacht. 

Wieso landen dennoch so viele Landwirtschaftsprodukte in der Biogasanlage?

Schwankungen in der Ernte sowie der Qualität der Ware sind dafür verantwortlich. Zu viel und zu wenig liegt nah beieinander. Während letztes Jahr beispielsweise eine grosse Ernte eingefahren wurde, können andere Wetterverhältnisse oder Krankheitsdruck zu Knappheit führen.

Aber kommt die Verwertung überschüssiger Lebensmittel in einer Biogasanlage nicht eher Symptombekämpfung gleich? Liegt das Problem nicht eher beim Markt oder den Konsumenten?

Die Schuldfrage ist letztlich schwierig zu klären. Vielleicht bin ich jetzt ein Böser, aber ich denke, die Detailhändler trageneinen Teil der Schuld. Ich habe bei Steffen-Ris schon Ware gesehen, die zurückgewiesen worden ist. Deren Mängel waren marginal. Meiner Meinung nach wird der Konsument dahingehend erzogen, wie beispielsweise eine Karotte auszusehen hat – welche Form, Farbe und Länge sie haben muss. 

Labels wie Ünique von Coop möchten doch genau dem entgegenwirken.

Das ist ein Tropfen auf den heissen Stein und wohl eher Imagepflege. Der Grossteil der Waren läuft immer noch über die andere Schiene. Es ist verrückt, wie viele Lebensmittel in der Schweiz entsorgt werden – besonders in Anbetracht dessen, dass nicht unweit von uns Hunger herrscht. In Supermärkten in Italien oder Südfrankreich liegt problemlos Gemüse in den Regalen, das man bei uns nicht mehr verkaufen hätte dürfen oder wollen. Wir haben einfach extrem hohe Qualitätsansprüche.

Das AKW Leibstadt AG versorgt jährlich zwei Millionen Haushalte mit Strom – diese Anlage hier nur 600. 

Die Politik hat die Weichen gestellt; man will von der Atomenergie wegkommen. Leistungsmässig werden wir natürlich nie an AKWs herankommen. Zumindest können wir aber aus Lebensmitteln, die nicht mehr sinnvoll verarbeitet werden können, Strom produzieren. Und viele Biogasanlagen zusammen erbringen doch eine gewisse Leistung.

Interview Debora Moos

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