Nach Angaben des Bündner Amtes für Jagd und Fischerei vom Mittwoch gaben zwei Ereignisse den Ausschlag für das Abschussgesuch an das Bundesamt für Umwelt (Bafu): einerseits der Riss eines Kalbes auf der Alp Nera am Schamserberg, andererseits die Tötung eines Esels auf der Alp Durnan in Andeer. Diese Angriffe seien eine neue Dimension in der «konfliktbringenden Entwicklung des Wolfsrudels am Beverin».

Ein toter Esel ist kein grosser Schaden

Doch das Bafu lehnte das Abschussgesuch ab. Es sei zum Schluss gekommen, dass ein gerissener Esel noch keinen grossen Schaden gemäss eidgenössischer Jagdgesetzgebung darstelle, schrieb das Bündner Amt für Jagd und Fischerei. Das gerissene Kalb werde vom Bund als Weidegeburt beurteilt und deshalb zum Zeitpunkt des Wolfsangriffs als ungeschützt angesehen.

Der Kanton nehme den abschlägigen Entscheid des Bafu zur Kenntnis, hiess es. Nach Auffassung der Bündner Behörden ist die aktuelle Rechtslage jedoch in mehreren Punkten ungeklärt. Unter anderem widerspreche die mit dem Bafu-Entscheid verbundene Einschränkung von Weidegeburten auf der Alp einer langjährigen Praxis im Berggebiet.

Abschussregeln sollen flexibler werden

Die offenen Fragen müssten mit dem Bafu im Hinblick auf den kommenden Alpsommer 2021 geklärt werden. Vor allem müssten die Regelungen zum Abschuss von Wölfen bei schweren Fällen flexibilisert werden.

Im Gebirgskanton vermehrten sich die Wölfe in den letzten Jahren stark. Sechs Rudel wurden im Sommer letzten Jahres bestätigt, eingeschlossen darin das Morobbia-Rudel, welches im Grenzgebiet der Kantone Graubünden und Tessin lebt. Nach Schätzungen dürften derzeit über 40 Wölfe den Kanton Graubünden durchstreifen. Sie halten sich hauptsächlich in der Surselva und in Mittelbünden auf.

Derzeit wird davon ausgegangen, dass in der ganzen Schweiz mindestens neun Wolfsrudel unterwegs sind. Der Tierbestand wird auf 80 bis 100 geschätzt.

 

Bafu-Entscheid ist «inakzeptabel»

Für den Bündner Bauernverband ist der Entscheid des Bundesamts für Umwelt weder nachvollziehbar noch akzeptabel, wie er in einer Mitteilung schreibt. Der Entscheid habe die Rechtslage nicht geklärt, schliesst sich der Bauernverband den kantonalen Behörden an und nennt folgende Kritikpunkte:

  • Die Einschränkung der Abkalbung auf der Alp widerspreche der landwirtschaftlichen Praxis im Berggebiet
  • Die klaren Grenzen des Herdenschutzes seien offen
  • Die Beurteilung der beiden Risse sei falsch

Das Bafu nimmt aus Sicht des Bündner Bauernverbands die Anliegen der Berglandwirtschaft und -bevölkerung nicht ernst. Die hohen Angriffszahlen auf verschiedene Nutztierarten könne man nicht länger akzeptieren und es brauche eine Flexibilisierung der Regeln für das Abschiessen problematischer Wölfe.