A wie Agrarpolitik und Achterbahnfahrt

Diese war eine Achterbahnfahrt sondergleichen. Voller Hoffnung präsentierten Guy Parmelin und Christian Hofer, das neue landwirtschaftliche Führungsduo des Bundes, im Frühjahr die Botschaft zur Agrarpolitik 2022+ (AP 22+). Dieser war allerdings kein günstiges Schicksal beschieden. Vor dem Hintergrund der Pflanzenschutz-Initiativen war die Stimmung aufgeheizt. Letztlich erwies sich das Fuder mit sinkendem Selbstversorgungsgrad, abwärts tendierenden Einkommen und weiteren Ökologisierungsmassnahmen als überladen. Das führte kurz vor Jahresende zur Sistierung im Ständerat. Damit dürfte die AP 22+ eher zur AP 26+ mutieren, denn der Ständerat wird kaum von seinem Entscheid abweichen. Möglicherweise wäre auch eine Abkehr von den ermüdenden Vierjahres-Paketlösungen eine empfehlenswerte Alternative.

B wie Butter, Blitzschlag und Botulismus

Hier hat sich die Marktlage komplett verändert. Nach jahrelangen Überschüssen wurde das Milchfett aufgrund von höherer Nachfrage und sinkenden Kuhzahlen plötzlich knapp. Insgesamt mussten 2020 fast 6000 Tonnen Butter eingeführt werden. Dies wäre an sich ein gutes Zeichen für den Gesundheitszustand des Markts, wo Knappheit preistreibende Wirkung haben sollte. Das Preissignal fiel aber noch bescheiden aus. Immerhin einigte sich die Branchenorganisation Milch (BOM) auf Wege, um eine bessere Inlandversorgung mit Butter zu sichern, derweil die verarbeitende Industrie nach kreativen Wegen sucht, um aus der Knappheit Profit zu schlagen. Das jüngste Beispiel dafür ist Nestlé mit seinem Rahm-Importgesuch.

Daneben sorgten Schicksalsschläge bei Viehhaltern für Schlagzeilen: Ein Blitzschlag beraubte einen Emmentaler Produzenten um mehr als die Hälfte seiner Mutterkuhherde und wegen Botulismus verlor ein Landwirt in Leimiswil BE zehn Kühe. Der Fall war vermutlich durch einen toten Fuchs im Gülleloch ausgelöst worden.

C wie Corona

Alleine mit diesem Stichwort liessen sich diese zehn Spalten locker füllen. Wo anfangen? Seit Frühlingsbeginn ist die Welt aufgrund des Virus im Ausnahmezustand. Für die Landwirtschaft blieben die Auswirkungen auf ökonomischer Ebene insgesamt überblickbar. Mit zunehmendem Verlauf der Pandemie waren aber auch immer mehr Bauernfamilien von Fällen betroffen. Hier ist es für diese schwierig, im Dickicht der behördlichen Anweisungen den Überblick zu behalten. Dürfen Hofläden offen sein? Dürfen positiv getestete Landwirt(innen) und Bäuerinnen noch zu den Tieren? Was ist erlaubt in Sachen Veranstaltungen? Und die grosse Frage: Wie lange dauert das alles?

D wie DGVE

Die Düngergrossvieheinheiten erlangten dieses Jahr einige Prominenz. Einerseits, weil deren Obergrenze für ÖLN-Betriebe im Tal gemäss den Plänen des Bundes in der AP 22+ von 3 auf 2,5 sinken sollte, was in der Landwirtschaft auf Widerstand stösst. Gleichzeitig hat die sperrige Abkürzung auch ausserhalb der Landwirtschaft eine bisher nicht dagewesene Bekanntheit erlangt. Im Verlauf des Jahres hat sich die von Umweltverbänden angeheizte Diskussion in Sachen Umweltbelastungen etwas wegbewegt von den Pflanzenschutzmitteln (PSM) Richtung Hofdünger, auch weil die alarmistische Sorge um PSM im Trinkwasser tendenziell etwas an Dynamik verloren hat. Plötzlich waren dann Ammoniak und angeblich zu hohe Tierbestände in aller Munde. Der für die Landwirtschaft positive Corona-Effekt schien deshalb im zweiten Halbjahr schnell zu verpuffen. Zunächst hatten die Bauern so etwas wie Dankbarkeit für ihre Versorgungsleistung bei geschlossenen Grenzen gespürt, diese scheint allerdings eine relativ geringe Halbwertszeit zu haben.

E wie Einkaufstourismus und EU

Die Corona-bedingte Grenzschliessung sorgte für eine markante Zunahme der Lebensmittelumsätze im Detailhandel um rund 20 Prozent. Als sich die Schlagbäume wieder öffneten setzte das Einkaufs-Pilgern über die Grenze wieder ein. Doch die Inland-Verkäufe liegen immer noch deutlich über Vorjahresniveau. Die Wertschätzung für heimisches Lebensmittel-Schaffen dürfte also trotz ziemlich hässigem öffentlichem Diskurs über die Landwirtschaft eher zugenommen haben. Umsatzzahlen sind hier wohl die zuverlässigeren Messwerte als Zeitungsschlagzeilen.

In diesen grossen Buchstaben war regelmässig auch die EU ein Thema. Der Staatenbund hat seinerseits dieses Jahr ambitiöse Pläne für eine Revision der gemeinsamen Agrarpolitik lanciert. Zu reden gab vor allem der «Green Deal», also die von der Kommission geplante vermehrte Ökologisierung der EU-Agrarpolitik. Es gab im ergrünten Schweizer Parlament denn auch schon einige Stimmen, die vor einem möglichen Rückstand der Schweiz in Sachen AP warnten. Doch erfahrungsgemäss dauert es in der EU noch viel länger, bis ein Konsens resultiert als in der Schweiz.

Die nächste Folge des Rückblick-Alphabets erscheint morgen.