Auf dem Bundesplatz in Bern kann man sich über seltsame Abwandlungen der bekannten orangen Karotte wundern: Die weisse erinnert an einen mutierten Albino, die violette, fast schwarze wirkt dreckverschmiert und die kleinen weissen mit der konischen Form gehörten, so meint man, eigentlich ins Körbchen der Rettiche.


Die Kleinbauern Urs und Liliane Baumann führen in vierter Generation den Gemüse- und Früchtebetrieb Bio-Baumann, der wegen seinem vielfältigen Sortiment an besonderem Gemüse über die Region hinaus bekannt ist.

Repertoire an Raritäten

Von Beginn an richteten Baumanns ihren Anbau auf Spezialitäten aus. So setzte sich Junior Urs Baumann, getrieben von der Freude am Experimentieren mit unbekannten Pflanzen, das ehrgeizige Ziel, jedes Jahr eine neue Art anzupflanzen. Ein Ziel, dass er bisher dank genauer Verfolgung der Entwicklungen von Neuzüchtungen immer erreicht hat. So wuchs sein Repertoire an Raritäten der Gemüsewelt.

Erfolgreich vermarktet der Pionier in Sachen Gemüsespezialitäten seine Ware. Und das direkt. Würde er an Grossverteiler liefern, so hätte er als Kleinbauer keine Existenzgrundlage, erklärt Baumann. So führt er die Tradition seines Urgrossvaters weiter, der schon 1911 seine Ernte direkt auf dem Bundesplatz in Bern vertrieb und damit sein Einkommen sicherte.

Auch direkt ab Hof

Die Direktvermarktung auf dem Markt in Bern zwei Mal die Woche wird durch den Direktverkauf ab Hof während zwei Tagen pro Woche ergänzt. Ausserdem versorgt Baumann die Wiederverkäufer in Bern (Hallerladen, Q-Laden) sowie ein Heim und mehrere Restaurants, darunter auch Gourmet-Betriebe, mit seiner Ware. Dabei hält er am Prinzip der Direktvermarktung fest: Wer seine Ware will, ist willkommen, diese auf dem Markt oder seinem Hof abzuholen.


Die Idee auf qualitativ spezielle Produkte zu setzen funktioniert: Mit seinen besonderen Nischenprodukten zieht er neue Kunden an, die sich auch mit "normalem" Gemüse bei ihm eindecken. Besonderes Kundenmagnet sind dabei die Karotten, die Familie Baumann mittlerweile in elf Variationen anbaut. "Nach einem eher schleppenden Einstieg, haben sich die Besonderheiten der Karotten herumgesprochen und sie sind heute sehr beliebt", sagt Baumann.

Geschmack variiert von Art zu Art

Vor allem im Geschmack überzeugen die Karotten. So wählt der Gemüseproduzent beim Saatgut das geschmackvollste aus. Aussehen habe im Direktverkauf, anders als beim Grossverteiler, zweite Priorität, so Baumann. Der süsse Geschmack der farbigen Karotten variiert von Art zu Art und wird durch verschiedene Faktoren beeinflusst. Ist ein Rüebli beispielsweise kalt und nass gewachsen, wirkt sich das positiv auf den Zuckergehalt aus. Ein im Sommer gereiftes hingegen ist weniger süss.


Verkaufsschlager bei den Karotten ist die traditionelle japanische Sorte Nutri-Red, die sich, einmal gekocht, in Geschmack, Farbe und Struktur verändert. Beliebt ist die knackige, rote Rübe aber auch ihres sehr hohen Lycopin-Gehalt wegen. Denn dem Stoff, der auch Tomaten und Hagenbutten rot färbt, wird eine krebshemmende Wirkung nachgesagt. Ein Schwachpunkt der Nutri-Red ist für Baumann deren geringe Lagerfähigkeit. Deshalb lässt er die Karotten im Herbst möglichst lange im Feld, damit er die Lagerung im Kühlraum so weit als möglich ausschieben kann.


Abgesehen von den Nutri-Red findet man jedoch teilweise bis im Juni viele der farbigen Karotten vom Vorjahr im Angebot, da sie sich über lange Zeit gut lagern lassen. Jetzt im Juli sind schon die ersten diesjährigen Karotten auf den Markt. Wer aber die ganze Vielfalt der bunten Rüebli kosten will, muss sich bis Oktober gedulden, dann ist Haupterntezeit.

Bescheidener Pionier

Obwohl der Absatz der bunten Karotten boomt, möchte Urs Baumann nicht ausbauen. Die derzeit interessanten Sorten habe er bereits im Sortiment, meint der Gemüsegärtner. Ausserdem ist der Anbau arbeitsintensiver als bei konventionellen Karotten. Einerseits, weil biologisch produziert wird, was mehr Unkraut und damit Zeitaufwand und Personalkosten mit sich bringt.

Andererseits bringen die speziellen Karotten kleinere Ernteerträge ein und erfordern teilweise Handernte, was den höheren Preis gegenüber konventionellen, orangen Rüebli ausserdem erklärt.


Trotz des aufwändigen Anbaus und der höheren Kosten, die bunten Karotten zahlen sich für Baumanns aus – nicht nur finanziell. Denn jede Sorte bringt neue An- und Herausforderungen mit sich, verlangt dem Bauern Einfallsreichtum ebenso wie Ausdauer ab und macht den Alltag des Gemüsegärtners dadurch zum abwechslungsreichen und kreativen Beruf.

Franziska Imhof, lid