Männliche Küken haben es schwer. Eier legen können sie nicht. Für die Mast sind die meisten nicht geeignet. Sie sind überzählig und werden oft entsorgt.

Nicht so bei Bio-Meisterlandwirt Roman Clavadetscher in Malans. Auf seinem Hof spazieren Hähne in ihrem grosszügigen Gehege herum. Sie sind das männliche Pendant zu Legehennen und werden Bruderhähne genannt. Sie scharen sich um den Ausmaststall oder finden Schatten unter dem Sonnensegel. Gerne plustern sie sich im Sand auf. Sie picken im Gras und finden immer etwas, das ihnen schmeckt. Ein idyllisches Bild.

"Die Kükentötung war mir ein Dorn im Auge"

Dieses System ist nach dem Geschmack des 43-jährigen Roman Clavadetscher. "Die Tötung der männlichen Küken war mir schon immer ein Dorn im Auge", sagt er. Deshalb kam ihm gelegen, dass er mit der Firma Hosberg AG zusammenarbeitet und sich diese Gedanken über mögliche Lösungen zur Mast von Bruderhähnen machte.

Clavadetscher wusste, dass Forscher Lösungen erarbeiten. Dazu gehört das Zweinutzungshuhn. "Die Legeleistung des Huhns und die Mastleistung des Hahns sind allerdings schlecht. Sowohl beim Ei als auch beim Fleisch müssen die Produzenten zu viele Kompromisse eingehen", sagt der Bio-Bauer.

Bleibt die Geschlechtsbestimmung bereits im Ei, die aber nach wie vor nicht marktreif ist. "Wir wollten aber nicht zuwarten, bis diese Lösung vielleicht schon bald, möglicherweise aber auch in fünf oder sogar zehn Jahren bereit ist", so Clavadetscher.

Die Suche nach der richtigen Rasse

In der firmeneigenen Brüterei der Hosberg AG begann deshalb ein Team vor rund fünf Jahren mit Versuchen. Auf dem Hof der Familie Reinhard in Rüti ZH und in Zusammenarbeit mit dem Kompetenzzentrum Aviforum wurden auf wissenschaftlicher Basis unter anderem verschiedene Rassen, Mastleistungen, Futterverbrauch und Haltungsformen untersucht.

Dabei zeigte sich, dass die Rasse "Brown Nick" den Bedürfnissen am nächsten kommt. Das Huhn hat eine recht gute Legeleistung. Nicht so berauschend zeigte sich jedoch Mastleistung beim Hahn. "Trotzdem fanden wir Ende des letzten Jahres, dass wir genug geforscht hatten und die Zeit für den Einstieg in die Praxis gekommen war", sagt Clavadetscher.

Anfang 2016 bekam er die ersten männlichen Küken für die dreiwöchige Vormast. Danach verlegte er die Bruderhähne für 100 Tage in einen seiner fahrbaren Mastställe, wo den maximal 500 Tieren auf den 45 Quadratmetern genügend Platz, Futter, Wasser und Sitzstangen zur Verfügung stehen.

 

Die Weide umfasst 1500 m2, was drei Quadratmetern pro Tier entspricht. Nach jeder Mast erfolgt ein Weidewechsel, um die Böden nicht zu stark zu belasten. "Bei uns ist die Mast sogar Teil der Fruchtfolge, aktuell zum Beispiel mit Mais. So können wir die Nährstoffe ideal verwenden."

Schmackhaftes Fleisch

Das Programm ist gut angelaufen. Die Konsumenten können das etwas teurere Bio-Geflügelfleisch als sogenannte Bruderhahnbox bestellen. Auch in der Gastronomie, verschiedenen Bioläden und über den Direktverkauf ist es erhältlich. Es zeichne sich durch seine hohe Qualität aus, so Roman Clavadetscher.

So meldeten sich Konsumenten, die das Fleisch als schmackhafter empfanden. "Auf diese Freude der Konsumenten sind wir angewiesen. Nur so werden wir auch in Zukunft produzieren können", sagt der Landwirt.

Ebenso wichtig ist, dass der Konsument bereit ist, für ein Ei aus dem Programm 3 Rappen mehr zu bezahlen. Dieses Geld fliesst als Ausgleich an die Mäster. Ohne diesen Beitrag wäre die Bruderhahnmast nicht wirtschaftlich.

Abgewickelt wird alles über die Firma Gallina Bio AG (siehe Textbox). Auf Produzentenseite ist das Interesse gross. Zurzeit sind es Peter Ball in Brütten, Roman Clavadetscher in Malans, Kari Peter in Valzeina und Benjamin Reinhard in Rüti.

Clavadetscher hätte in seinen vier Mastställen Platz für maximal 2'000 Tiere pro Mast. Er bleibt aber vorsichtig, weil diese Produktion eine Nische bleiben wird: "Dieses Jahr kommen wir auf rund 5000 Bruderhähne. Nur wenn die Nachfrage anhält, können wir weitere Produzenten dazu nehmen."

Kreativität in der Vermarktung

Die Mäster wollen nun weitere Erfahrungen sammeln. Im Vergleich zu anderen Ländern sei die Schweiz noch im Rückstand, sagt Clavadetscher. "Es braucht eine rechte Portion Kreativität, um dieses Fleisch auch bei uns bekannter zu machen. Das heisst, dass der Konsument solches Fleisch aus Überzeugung kauft, unabhängig vom Preis."

Trotzdem ist er überzeugt, dass das Bruderhahnprojekt in naher Zukunft wachsen wird. Überdacht werden soll das Projekt erst, wenn die Forschung eine andere Möglichkeit gefunden hat, auf das Töten von Küken zu verzichten.

Martin Brunner, LID