In der Schweiz herrscht ein temporäres Verbot für den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen. Dieses Moratorium besteht seit 2005 und wurde seither dreimal verlängert.

Der SBV will eine Verlängerung

Geht es nach dem Schweizer Bauernverband (SBV), wird das Moratorium noch ein weiteres Mal verlängert. In seiner Stellungnahme zur Agrarpolitik 2022+ (AP 22+) hat er den Vorschlag eingereicht, das Moratorium um weitere vier Jahre bis 2025 zu verlängern.

«Keine triftigen Gründe sprechen dafür»

«Die Gentechfreiheit ist ein wichtiges Kriterium für die Schweizer Konsumenten», erklärt Barbara Steiner auf Anfrage. Sie ist beim SBV zuständig für das Gentechnik-Dossier. «Wir sind der Meinung, dass es nach wie vor keine triftigen Gründe gibt, die für den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen sprechen», erklärt Steiner das Vorgehen des SBV. Ausgenommen vom Moratorium ist die Forschung, welche auch vom Bauernverband unterstützt wird.

Kein Thema in der AP 22+

Der Bauernverband war mit seiner Forderung nach einer Verlängerung im Rahmen der AP 22+ nicht allein. Etwa 30 Stellungnehmende teilten seine Ansicht, wie das Bundesamt für Landwirtschaft auf Anfrage mitteilt. Das Thema sei jedoch nicht in die AP 22+ aufgenommen worden, heisst es beim BLW weiter.

Auch die Parteien sind dafür

So oder so dürften die Würfel jedoch im Sinne des Bauerverbands gefallen sein. Seit Jahren ist das Anbauverbot auf Zeit der kleinste gemeinsame Nenner. Zudem haben laut der «Neuen Zürcher Zeitung» bereits gewichtige Vertreter aller grossen Parteien eine Forderung nach einer weiteren Verlängerung des Moratoriums bereits unterschrieben. «Die GVO-Freiheit ist ein wichtiges Element für die Positionierung der Schweizer Lebensmittel am Markt», heisst es in der Begründung der Motion von Nationalrat Andreas Aebi (SVP/BE), die ebenfalls die Verlängerung des Moratoriums fordert.

Verunreinigungen blieben unerkannt

Doch ist die Schweiz wirklich frei von Gentechnik? Im Fall der kleinen Mutationen, die durch neue Züchtungsmethoden entstanden sind, lässt es sich laut Roland Peter kaum noch feststellen, ob es sich um eine natürliche oder eine im Labor erzeugte Veränderung handelt.

Peter hat vor rund einem Jahr die Leitung des Strategischen Forschungsbereichs Pflanzenzüchtung bei Agroscope übernommen. «Es ist in der Praxis gegenwärtig kaum möglich, Verunreinigungen damit in pflanzlichen Rohstoffen zu identifizieren. Diese Techniken seien in vielen grossen Exportländern jedoch bereits ohne Deklarationspflicht zugelassen und es stünden erste Sorten damit im Anbau.

GVO ist nicht gleich GVO

Die Gentechnik hat in den ­vergangenen 20 Jahren enorme Fortschritte gemacht. Die Züchtungstechnologien der neuesten Generation hätten nicht mehr viel zu tun mit der früheren «Holzhammer-Gentechnik», wie Roland Peter ausführt. Heute fallen alle Technologien unter das Gentechnik-Gesetz. Beispielsweise auch die Crispr-Cas-9-Technologie, wo sich der Ort und die Art der Veränderung im Genom sehr genau kontrollieren lässt.

In der öffentlichen Diskussion findet diese Differenzierung aber nicht statt. Der Bundesrat wird sich laut Auskunft des Bundesamts für Landwirtschaft voraussichtlich im Frühsommer 2020 zu den neuen Züchtungsmethoden und einer entsprechenden Anpassung des Gentechnikgesetzes äussern.

Ist es eine verpasste Chance?

Befürworter der Gentechnik sehen durch die ablehnende Haltung der Konsumenten und der Landwirtschaft eine verpasste Chance. Denn die «grüne Gentechnik» wirbt unter anderem mit mehr Ökologie. In einer Zeit, in der der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln enorm in der Kritik steht, sind Lösungen gefragt. SBV-Expertin Barbara Steiner bezweifelt allerdings, dass schon in den nächsten Jahren entsprechende Sorten für die Schweiz verfügbar sein werden, die tatsächlich aufgrund der Gentechnologie weniger Pflanzenschutzmittel benötigen werden: «Es wird viel versprochen, jedoch fehlen bislang die Resultate.»

Nur Forschung für die Praxis macht Sinn

«Kein Forscher möchte nur für die Theorie forschen», entgegnet Roland Peter. Die Motivation der Forschenden und die Attraktivität des Forschungsstandorts sei klar grösser, wenn Forschungsresultate auch Einzug in die Praxis finden würden, gibt er zu bedenken. Gegen Krankheiten und Schädlinge resistente Pflanzen seien seit Langem ein wichtiges Ziel der klassischen Züchtung.

Grosser Zeitgewinn dank Gentechnik

Wenn vermehrt auf Pflanzenschutzmittel verzichtet wird, erhöht sich auch der Druck auf pflanzeneigene Resistenzen. Das Wettrüsten mit den Krankheiten und Schädlingen werde noch intensiver und die Züchtung müsse noch schneller reagieren. «Hier könnte die Gentechnologie einen wichtigen Beitrag leisten, um Erträge und Qualität zu sichern und gleichzeitig Pflanzenschutzmittel zu reduzieren», ist der Agroscope-Forscher überzeugt. Als Beispiel führt Peter die Wildkartoffel auf, die resistent gegen Krautfäule ist. Das Einbringen dieser Resistenz in eine bekannte Kartoffel würde mit der klassischen Züchtung Jahrzehnte dauern.

 

Meilensteine in der Schweizer Politik und Forschung

1986: Die ersten Freilandversuche mit genmanipulierten Pflanzen in den USA.

1987: Die Zeitschrift «Beobachter» reicht die Initiative «Gegen Missbräuche in der Fortpflanzungs- und Gentechnik» ein, zieht sie aber nach Ausarbeitung eines Gegenvorschlags 1991 zurück.

1991/92: Freilandversuche mit genmanipulierten Kartoffeln an der Eidgenössichen Forschungsanstalt Changins bei Nyon VD (heute Agroscope).

1992: In der eidgenössischen Abstimmung wird der Gegenvorschlag zur «Beobachter-Initiative» angenommen.

1998: Die Genschutz-Initiative (für ein GVO-Freisetzungsverbot und Einschränkungen in der Forschung) wird
abgelehnt.

1999: Die Freisetzungsverordnung tritt in Kraft.

2000: Der Bundesrat lehnt ein Moratorium oder ein Verbot für den Anbau von Gentech-Pflanzen ab.

2003: Umwelt- und Bauernorganisationen reichen die Gentechfrei-Initiative ein, die ein fünfjähriges Gentech-Moratorium in der schweizerischen Landwirtschaft verlangt.

2004: Das Gentechnikgesetz tritt in Kraft.

2005: Stände- und Nationalrat lehnen die Gentechfrei-Initiative ab, die im gleichen Jahr von Volk und Ständen angenommen wird.

2005: Start Moratorium.

2005: Bundesbeschluss zur Durchführung des Nationalen Forschungsprogramms (NFP) 59.