Biodiversität, darin ist man sich einig, ist wichtig. Und um die Biodiversität, darin ist man sich auch einig, steht es schlecht. «Wir drohen, unsere natürlichen Lebensgrundlagen zu verlieren», sagt Roland Schuler von Pro Natura. Auch das Bundesamt für Umwelt (Bafu) sagt, dass die Vielfalt der Ökosysteme in der Schweiz im Allgemeinen rückläufig ist. Und verschiedene Studien weisen darauf in, dass der Rückgang der Biodiversität in den letzten Jahren besorgniserregend ist. Die bisherigen Massnahmen seien nicht ausreichend, um den Verlust von Lebensräumen zu stoppen, heisst es darin.

Handlungsbedarf entlädt sich in viel Papier


Für den Bund ist der Handlungsbedarf deshalb gross. So gross, dass das Bafu seit 2012 über die Erhaltung und Verbesserung der Biodiversität in der Schweiz wacht. Dazu hat man die Strategie Biodiversität Schweiz (SBS) geschaffen.

In den letzten zwei Jahren hat das Bafu deshalb begonnen, die vom Bundesrat vorgegebenen Ziele in konkrete Massnahmen mit konkreten Finanzierungsvorschlägen umzuwandeln und einen Aktionsplan ausgearbeitet. Dieser steht nun in der Kritik. Rainer Kistler ist Präsident der Konferenz der Vorsteher der kantonalen Umweltschutzämter und äusserte gegenüber der «Zentralschweiz am Sonntag» Zweifel am Aktionsplan. Dieser sei überladen, und die Kostenursache sei ungenügend ausgewiesen, hielt er Mitte Juli fest. Ausserdem seien die Kosten hoch – bis 2040 rechnet man mit 210 Mio Franken, die jährlich für den Erhalt der Biodiversität anfallen.

Ungenügendes Bafu-Konzept


Dass die Kantone sich damit querlegen, wie dies die «Zen­tralschweiz am Sonntag» schreibt, stimme nicht, sagt Rainer Kistler auf Anfrage der «BauernZeitung». «Die Kantone stellen die Notwendigkeit eines Aktionsplan nicht in Frage. Sie bemängeln aber, dass der Aktionsplan, eine ungeordnete Zusammenstellung von Massnahmen beinhaltet.» Wie Kistler ausführt, gehe aus dem Aktionsplan zu wenig hervor, wer schliesslich für die Ausführung der Massnahmen verantwortlich sei. Ebenso unklar sei auch, welche Massnahmen die Mitwirkung von anderen Verwaltungseinheiten bei Bund und Kantonen erfordert.

«Die Kantone», sagt Kistler, «sind überzeugt, dass die Akzeptanz des Aktionsplans erhöht wird, wenn die Zahl der Massnahmen reduziert wird. Zugleich würde dies eine effizientere Nutzung der Mittel ermöglichen.» Ausserdem würden die Kantone schon jetzt viel unternehmen, um die Biodiversität zu fördern.Besagtes Papier ist gemäss Auskünften der Bafu-Medienstelle ein internes Dokument, das zu einer Vorkonsultation an die Kantone weitergegeben wurde. «Die Kantone haben jene Auszüge erhalten, die sie bei der Finanzierung direkt betreffen», heisst es aus der Verwaltung. Die Kantone würden sich laut Kistler vor allem daran stören, dass sie schon jetzt, bei der Voranhörung, finanzielle Zusagen für die nächsten Jahre und Jahrzehnte machen müssten.

Bauern könnten schon, aber der Konsument will nicht

Dass es überhaupt einen Aktionsplan für Biodiversität brauche, liege an den ansteigenden Bedürfnissen der Menschen an ihre Umwelt, heisst es beim Bundesamt für Umwelt. Insbesondere der Bedarf der Siedlungsfläche und die Intensivierung der Landwirtschaft würden dazu führen, dass die Verbreitungsgebiete einzelner Arten immer kleiner würden. Die Landwirtschaft als grösste Flächennutzerin habe zusätzlich eine besondere Verantwortung für Biodiversität, heisst es beim Bafu weiter.


«Der Schweizer Bauernverband ist nicht gegen einen Aktionsplan», sagt Mediensprecherin Sandra Helfenstein. Entscheidend sei aber die Umsetzung. «Hauptstossrichtung muss sein, die Qualität der bereits vorhandenen Biodiversitätsförderflächen zu verbessern, und nicht, die Flächen auszudehnen», erklärt Helfenstein. Denn die Hauptaufgabe der Landwirtschaft sei die nachhaltige Lebensmittelproduktion.

Gemäss Bafu liegt es auch an der Landwirtschaft, dass die Artenvielfalt überhaupt erhalten bleibt. Als Beispiel führt es die Trockenwiesen und -weiden an. Erst durch die landwirtschaftliche Nutzung können sie heute einen grossen Anteil der Schweizer Artenvielfalt beheimaten. «Die Sicherung der Biodiversität und die nachhaltige Bewirtschaftung des Bodens ist im Grunde ein- und dasselbe», findet deshalb auch Roland Schuler von Pro Natura.

Weil natürliche Ressourcen - dazu gehören unter anderen Biodiversität, aber auch Boden, Luft und Wasser - Allgemeingut seien, ist nach Ansicht von Sandra Helfenstein auch der Staat für die Finanzierung zuständig. Denn schliesslich müssten von den Bauern wahrgenommene Schutzaufgaben angemessen entschädigt werden. Wie sie sagt, könne der Konsument eine biodiversitätsfreundliche Produktion fördern indem er entsprechende Labelprodukte kaufe. «Leider zeigt sich aber, dass dieses Potenzial begrenzt ist. Oft lassen sich zusätzliche Dienstleistungen nur ungenügend und nicht kostendeckend über den höheren Verkaufspreis decken», fügt Helfenstein an.

Alle würden von den Massnahmen profitieren


Wie hoch aber der Nutzen von Biodiversitätsmassnahmen sei, lasse sich nicht oder nur sehr schwer messen und noch schlechter in Geldwert umrechnen, meint Rainer Kistler. Das Bafu rechnet damit, dass ein Nicht-Handeln bis zu 25 Mrd Franken kosten könnte. Demgegenüber scheinen die Gesamtkosten für die Strategie Biodiversität Schweiz mit geschätzten 5,2 rd Franken eine angemessene Höhe zu haben.


Davon profitieren würde gemäss Sandra Helfenstein im Wesentlichen die Administration, die Verwaltung. Anders sehen das Rainer Kistler, das Bafu und Roland Schuler: Es sei die Öffentlichkeit, die von der staatlich geförderten Vielfalt profitieren könne.

Hansjürg Jäger