Wenn ein Kalb geboren wird, hat eine entscheidende Zeit für seine künftige Entwicklung bereits begonnen. "Heute wissen wir, dass Kälber in den ersten Lebenswochen geprägt werden", sagt Martin Kaske vom KGD. Ein kurzfristiger Umwelteinfluss während der Trächtigkeit und während der ersten Lebenswochen beeinflusst das Potenzial lebenslang, sagt der Tierarzt. "Die Aufzuchtperiode ist zentral für die spätere Leistungsfähigkeit des Milchtieres wie auch des Masttieres", so Kaske. Eine Erkenntnis, die noch nicht alt ist. Man müsse alles revidieren, was man lange Zeit an Berufsschulen und Universitäten gelernt habe, sagt Kaske. Er spricht denn auch nicht vom "Kalb", sondern von der "kleinen Kuh". Schliesslich sei das Kalb von heute die Kuh von Morgen.

Haltung, Fütterung und Sauberkeit entscheiden

Als Neugeborene sind Kälber anfällig auf Erkrankungen. Viren, Bakterien oder Mykoplasmen kommen auf praktisch jedem Betrieb vor. Sie seien auch nicht das eigentliche Problem, sagt Kaske. Vielmehr erkranke das Kalb, wenn verschiedene Faktoren wie Lüftungsmängel, Überbelegung oder eine ungenügende Versorgung mit Kolostralmilch zusammengreifen. "Nicht die Erreger sind also das eigentliche Problem, sondern Haltung, Fütterung und Sauberkeit auf dem Betrieb", so Kaske. Und weil kranke Kälber oft mit Antibiotika behandelt werden, können die Arzneimittel-Abgaben reduziert werden, wenn die Kälber gar nicht erst erkranken. Der Ansatz des KGD lautet entsprechend: Erkrankungen verhindern, statt zu therapieren.

Ein Leitspruch, hinter dem auch Bio Suisse steht. "Wir fragten uns zunächst, ob der KGD nicht einfach etwas für die intensiven, konventionellen Betriebe ist, die solche Probleme aufweisen", sagt Thomas Pliska, Bereichsleiter Landwirtschaft bei Bio Suisse. "Wir merkten aber schnell, dass es auch für die Bio-Landwirte und Bio Suisse einen grossen Benefit gibt." Jeder Betrieb, ob Bio oder konventionell, wolle gesunde Tiere, ein gutes Tierwohl und eine wirtschaftliche Arbeitsweise, sagt Pliska. "Wir können zusammen viel tun, um ein positives Image der Landwirtschaft auf den Schweizer Betrieben zu vermitteln", betonte Martin Kaske ein weiteres Argument.

 

 

Antibiotika Einsatz überdenken

Erkenntnisse aus dem Bio-Projekt fliessen in das europäische Projekt "Roadmap" ein. Dieses hat zum Ziel, Entscheidungsprozesse zum Einsatz von Antibiotika in der Tierproduktion zu überdenken. 17 Institutionen aus 8 europäischen Ländern nehmen daran teil. Für die Schweiz ist das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (Fibl) vertreten. Der Fokus aus Schweizer Sicht liegt auf Biorind- und -kalbfleisch. Das Forschungsinstitut wird die Betriebsbesuche des KGD auswerten und in das europäische Projekt einbringen, wie Michael Walkenhorst, Leiter Gruppe Tiergesundheit am Fibl, am Medienanlass sagte.

 

 

Bio-kompatible Checklisten

Für Bio Suisse war wichtig, dass sich im Angebot des KGD die Biobäuerinnen- und -bauern wiederfinden. So wurden die Checklisten - diese listen Risikofaktoren auf - modifiziert und "bio-kompatibel" gemacht. Sie dürften nicht im Widerspruch zu den Bio-Richtlinien stehen und müssten im Bio-Bereich akzeptiert sein, so Pliska. "Ganz wichtig war uns von Anfang an, dass innovative Systeme in die Checklisten aufgenommen werden. Es darf nicht sein, dass ein Bauer schlechter abschneidet, weil hilfreiche Massnahmen nicht abgebildet sind", sagte Pliska am Medienanlass in Bern. An verschiedenen Treffen zwischen KGD, Bio Suisse und dem Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) wurden die Listen überarbeitet. Einbezogen wurden von Seiten Bio Suisse Bäuerinnen und Bauern. Da positive Rückmeldungen kamen, hat die Dachorganisation der Bio-Bäuerinnen und -Bauern das Projekt "Optimale Kälberaufzucht auf Bio-Betrieben" lanciert.

Hilfreicher Aussenblick

Zwischen 120 und 140 Bio-Betriebe erhalten dadurch eine kostenlose Beratung. Ziele des Projektes sind die Sensibilisierung für eine optimale Aufzucht, der Aussenblick auf den Betrieb, eine Stärkung von Tiergesundheit und Tierwohl sowie eine anonymisierte repräsentative Auswertung der Resultate. Wegen letzterem Punkt hat Bio Suisse eine repräsentative Zufallsauswahl der Betriebe getroffen. Die ausgewählten Betriebe (65 Milchvieh, 40 Mutterkuh, 25 Bio-Weide-Beef, 10 Kälbermast) sind angeschrieben worden. Vor kurzem gestartet, haben sich bereits 20 Betriebe angemeldet. Wer am Projekt teilnimmt erhält einen Bestandesbesuch von einem KGD-Tierarzt, der als Gedankenaustausch gedacht ist. Ebenfalls eingeladen ist der Bestandestierarzt. Denn die Behandlung kranker Tiere bleibt strikt bei diesem. Die KGD-Tierärzte geben keine Medikamente ab.

"Die Bäuerinnen und Bauern erhalten ein konstruktives Feedback, es handelt sich nicht um eine Kontrolle", betont Pliska. Bio Suisse erhofft sich, dass später mehr als die Projekt-Betriebe teilnehmen und sieht die ersten Teilnehmer auch als eine Art Botschafter an. Weil Bio Suisse Kollektivmitglied des KGD ist, können die Bio-Betriebe für 100 Franken Mitglied werden und damit vom KGD profitieren.