Das Trinkwasser im Kanton Bern enthält an zahlreichen Orten zu viele Rückstände des Pestizids Chlorothalonil. Das zeigen amtliche Messungen des vergangenen Jahrs, welche der Kanton Bern am 6. Februar 2020 veröffentlichte.

In gewissen Gebieten besonders akut

Bei 37 Messungen wurden Konzentrationen von Chlorothalonil-Abbauprodukten über dem zulässigen Grenzwert gefunden. Dieser Grenzwert liegt bei 0,1 Mikrogramm pro Liter Trinkwasser.

 

Zeitung verlangte Einsicht

Der Kanton Bern veröffentlichte die Resultate, nachdem die "Berner Zeitung" gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz Einsicht in die Messresultate verlangt und erhalten hatte. Sie schrieb am Donnerstag, schätzungsweise 180'000 Menschen in 50 Gemeinden seien von zu hohen Chlorothalonil-Werten im Trinkwasser betroffen.

 

Vor allem im Seeland und im Oberaargau ist das Problem akut. Doch auch Trinkwasserversorger in weiteren Gebieten des Berner Mittellands kämpfen mit zu hohen Werten, etwa im Gürbetal zwischen Bern und Thun.

Auch im Kanton Aargau

Schon am 4. Februar hatte der Kanton Aargau bekanntgegeben, er gehe davon aus, dass zwei Drittel der Trinkwasserfassungen dieses Kantons erhöhte Rückstandswerte aufwiesen.

Wasserversorger sollen mischen

An einer Medienveranstaltung in Bern sagte der Berner Kantonschemiker Otmar Deflorin dazu, diese Zahl sei schwierig einzuschätzen. Sie könne aber stimmen.

Die Wasserversorger mit zu viel Chlorathalonil müssten handeln. Eine Lösung bestehe beispielsweise darin, Wasser aus mehreren Fassungen zu mischen und dadurch die Konzentration von Chlorothalonil-Rückständen, sogenannten Metaboliten, zu verkleinern.

Grenzwert sei sehr tief

Der Grenzwert von 0,1 Mikrogramm pro Liter Trinkwasser sei aber sehr tief, so Deflorin weiter. Auf Erdbeeren seien 5000 Mikrogramm Chlorothalonil-Rückstände pro Kilo zulässig, also viel mehr. Der Höchstwert von 0,1 Mikrogramm pro Liter sei auch kein toxikologisch begründeter Wert. Er sei so festgelegt worden, weil dieser Wert lange der gerade noch messbare gewesen sei.

Wasser ist bedenkenlos trinkbar

Das Trinkwasser im Kanton Bern sei weiterhin bedenkenlos konsumierbar. Schnellschüsse seien nicht angebracht. Es gelte jetzt zu beobachten, wie sich das neue Chlorothalonil-Verbot auf die Trinkwasserqualität auswirke. Das brauche seine Zeit.

In den letzten Jahren sei über hundert Pflanzenschutzmitteln die Bewilligung entzogen worden. Chlorothalonil stehe derzeit einfach besonders im Fokus.

 

Lange Zeit im Einsatz

Der Wirkstoff Chlorothalonil wird seit vielen Jahren in der Landwirtschaft in diversen Fungiziden, also Mitteln gegen Pilzkrankheiten, eingesetzt. Das Bundesamt für Landwirtschaft liess den Wirkstoff in den 70er-Jahren zu. Nun hat aber der Bund Chlorothalonil neu als "wahrscheinlich krebserregend" bezeichnet und die Anwendung per Anfang 2020 verboten.

In der Chronik zum "Fall Chlorothalonil" finden Sie alles, was bisher geschah zusammengefasst.