Die Trinkwasserfassung in Worben im Seeland sei gegenwärtig wegen Pflanzenschutzmittel-Rückständen ausser Betrieb, heisst es auf der Website der Seeländischen Wasserversorgung (SWG). Als Lösung schlage der Verband eine Umkehrosmose-Filteranlage vor, die sich bereits in einem Pilotversuch als wirksam erwiesen habe. Ob dieser Filter gebaut wird oder nicht, wird morgen Samstag entschieden. «Morgen blickt die Schweiz nach Studen» titelt dazu das Bieler Tagblatt.Es handle sich  um einen wegweisenden Entscheid.

Die Vorschriften einhalten

Das Bieler Tagblatt (BT) zeigt ausführlich die Fronten auf. Zusammenfassend kann man sagen: Die Wasserversorger argumentieren mit ihrer Pflicht, die Bestimmungen des Bundes zu Trinkwasserqualität einzuhalten. Diese schreiben einen maximalen Wert von 0,1 Mikrogramm pro Liter von Chlorothalonil und seinen Metaboliten vor. Gemäss einer aktuellen Kundeninformation der SWG beträgt die Konzentration eines Metaboliten aber 0,16 bis 0,22 Mikrogramm pro Liter. 

Zwar habe die Stilllegung der Fassung in Worben die Qualität bereits verbessert, so die Kundeninformation. Man habe aber nicht genügend saubereres Wasser zum weiteren Verdünnen, schreibt das BT.

Das Verbot ist angefochten

Das Filterprojekt sei ein Schnellschuss, wird der Gemeindepräsident von Walperswil, Chrstian Mathys zitiert. Von seinem Gemeindegebiet stammt aktuell das Trinkwasser der Region. Er verweist unter anderem darauf, dass ein Beschwerdeverfahren von Syngenta gegen das Verbot von Chlorothalonil läuft, in dem der Konzern kürzlich einen Etappensieg vor dem Bundesverwaltungsgericht errungen hat. Mittlerweile darf das Fungizid und seine Metaboliten offiziell nicht mehr als «wahrscheinlich krebserregend» bezeichnet werden. Stattdessen heisst es jetzt, «eine Gesundheitsgefährdung gewisser Abbauprodukte kann nicht ausgeschlossen werden».

Eine Diskussion um mehr?

Sobald es um das Thema Pflanzenschutz geht, sind Emotionen im Spiel. das ist beim Entscheid über die Filteranlage nicht anders. Oft gehe es aber gar nicht mehr um den Filter, sondern z. B. um die Wertschätzung für Bäuerinnen und Bauern. Das BT sieht die Diskussion im Zusammenhang mit den anstehenden Pflanzenschutz-Initiativen und misst ihr schweizweite Signalwirkung bei. Es werde an einem eisernen Schweizer Grundsatz gerüttelt, dass man hierzulande Trinkwasser nicht aufbereite. 

Das stimmt zwar für durch den Boden gereinigtes Grundwasser (bis auf eine vorsorgliche Desinfektion, wie der Schweizerische Verein des Gas- und Wasserfaches (SVGW) in einem Video zeigt). In der Kundeninformation der SWG heisst es aber auch klar, der fragliche Metabolit sei schon seit Jahrzehnten im Trinkwasser und man habe ihn bis vor Kurzem schlicht nicht technisch messen können. 

 

Wie gefährlich ist Chlorothalonil?

Gemäss dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV haben die Kantone zwei Jahre Zeit, die Trinkwasserqualität den neuen Anforderungen zu den Chlorothalonilwerten anzupassen. «Ist aber eine Umsetzung der Massnahmen innert zwei Jahren aus zeitlichen, finanziellen, politischen oder ökologischen Gründen nicht möglich, so kann der Kanton eine längere Frist verfügen», so das BLV. 

Noch keine akute Gesundheits-Gefahr

Das BLV schreibt wörtlich: «Wird der Höchstwert an Chlorothalonil-Abbauprodukten überschritten, bedeutet dies noch keine akute Gefahr für die Gesundheit. Vielmehr muss der Höchstwert eingehalten werden, um vorbeugend den Schutz der Gesundheit zu gewährleisten. Zudem sind im Trinkwasser Abbauprodukte von Wirkstoffen, die besorgniserregende toxikologische Eigenschaften aufweisen, generell einzuschränken.» 

 

Bekommt Syngenta Recht, bräuchte es den Filter nicht

Wird die Filteranlage gebaut, können die Seeländer Wasserversorger die gesetzlichen Vorgaben zum Trinkwasser einhalten, ohne anderes Wasser beimischen zu müssen (das ihnen offenbar nicht zur Verfügung steht). Das ist ein Weg, mit dem Chlorothalonil umzugehen, das noch im Boden ist und nun wahrscheinlich noch über eine lange Zeit Stück für Stück abgebaut und ausgeschwemmt wir. Landwirtinnen und Landwirte nutzen das Fungizid seit dem Verbot nicht mehr, das hat eine Untersuchung im Kanton Bern bestätigt.

Sollte Syngenta Recht bekommen und die Chlorothalonil-Metaboliten nicht mehr als «relevant» eingestuft werden, würde für sie ein Grenzwert im Trinkwasser von 10 Mikrogramm pro Liter gemäss Zulassung gelten. Damit bräuchte es  die Filteranlage – aus Sicht der gesetzlichen Trinkwasserqualität – nicht mehr (jedenfalls nicht für Chlorothalonil). Eigentlich ist der morgige Entscheid für oder gegen diesen Filter demnach eine Antwort auf die Frage, für wie wahrscheinlich die Verantwortlichen dieses Szenario halten.