Frösche quaken und Libellen schweben im Tiefflug über das Wasser. Überall strecken Reispflanzen ihre Stängel aus dem seichten Wasser. Nein, wir befinden uns nicht in Asien, sondern in der Nähe von Brugg im Kanton Aargau. In Lauffohr wird bereits zum zweiten Mal Reis im Nassanbau angepflanzt. Toni Suter, Bereichsleiter bei Schwarz Gemüsebau in Villigen ist für dieses besondere Projekt zuständig. Zielstrebig geht er näher an das geflutete Feld heran. Rechts und links von ihm hüpfen Frösche davon. «Ich bin wirklich beeindruckt von der Biodiversität, die sich hier bereits entwickelt hat», sagt er.

Erstaunliche Biodiversität im Reisfeld

Hier wurde vorher über Jahrzehnte intensiver Gemüsebau betrieben. Bereits im ersten Jahr haben sich mehrere bedrohte Pflanzen und etliche seltene Amphibien von der roten Liste im Feld etabliert. «Das ist erstaunlich und stellt der integrierten Produktion ein gutes Zeugnis aus», sagt Toni Suter.

Seit acht Jahren baut er hier im Auftrag seines Vorgesetzten Max Schwarz Reis an – im Trockenverfahren (siehe Box). «Max Schwarz hatte schon länger die Vision von Wasserschlossreis und diesen Namen bereits vor Jahren schützen lassen», sagt Suter. Schwarz sah im Aargauer Reis eine echte Marktchance. Doch hat sich der Trockenreisanbau mässig gut bewährt und Schwarz hat mehr investiert als gewonnen.

Wird mehr Methan ausgestossen?

Ob der Nassreisanbau zurecht wegen erhöhtem Methanausstoss kritisiert wird, das kann so aktuell noch nicht abschliessend beantwortet werden. Doch es sind entsprechende Feld-Versuche bei Agroscope bereits in Vorbereitung.

«Modellrechnungen zeigen, dass eine vorübergehende Flutung den negativen Effekt der Methanbildung so reduziert, dass die Nassreis-Kultur gegenüber organischen Böden bezüglich Treibhausgas-Bilanz sogar besser abschneidet», sagt Katja Jacot zu diesem Thema. Auf mineralischen Böden etwa gleich bis leicht schlechter. Ob diese Berechnungen zutreffen, wird sich in Feldversuchen schon bald zeigen.

Flach muss das Feld sein

Dann hat Toni Suter eines Tages eine Aufnahme des Versuch-Feldes im Berner Seeland gesehen. «Ich dachte zuerst an Fake News», sagt er. Nassreis-Anbau im Schweizer Mittelland? Geht das überhaupt? Deshalb habe er sich intensiv mit Hans Rudolf Mühlheim ausgetauscht, der in Zusammenarbeit mit Agroscope im seeländischen Schwadernau von Trocken- auf Nassanbau umgestiegen ist. «Er hat uns wirklich Mut gemacht und wir sahen unseren Weg plötzlich auch im Nassanbau», sagt Suter. Schon bald fand ein Treffen zwischen ihm, Max Schwarz und einem Projektteam von Agroscope statt.

Der Wasserspiegel muss genau stimmen

Doch musste zuerst ein geeignetes Feld gefunden werden: möglichst nahe an der Aare, ein nicht zu durchlässiger Boden und vor allem möglichst flach. «Sobald ein Gefälle vorhanden ist, ist kein regelmässiger Wasserpegel möglich. Und dieser muss auf den Zentimeter genau stimmen», weiss Suter mittlerweile aus Erfahrung. Im April 2019 konnte es mit der ersten Nassreis-Saison im Kanton Aargau losgehen. Doch auf einen kühlen April folgte ein kalter Mai mit tiefen Nachttemperaturen. Trotzdem konnten schlussendlich alle involvierten Landwirte im Oktober 2019 Reis ernten und erfolgreich verkaufen.

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Trockenanbau von Reis

Weltweit werden etwa 80% des Reises nass angebaut, nur etwa 20% im Trockenverfahren. Trockenreis wird vor allem in Regionen mit wenig Niederschlag oder in den Bergen angebaut. Diese Art, Reis anzubauen, ist sehr aufwendig, da Unkraut und Schädlinge nicht durch das Wasser ferngehalten werden. Der Aufwand durch das Jäten sowie die Gefahr von Pilz- oder Schädlingsbefall ist gross. Gleichzeitig sind die Erträge eher gering. Beim Trockenanbau sind warme Temperaturen zentral. Deshalb wird in der Schweiz schon seit vielen Jahren im Kanton Tessin Trockenreis angebaut.

Die Reispflanzen mögen es warm

Da war der warme und trockene April 2020 ein richtiger Segen. «Wenn die Sonne scheint, erreicht das Wasser jetzt schon zum Teil Temperaturen von etwa 25 Grad», sagt Toni Suter. Das sei ideal für das Wachstum der Reispflanzen. Drücke dabei kaltes Grundwasser aus tieferen Bodenschichten hinauf, führt dies zu einer Abkühlung des Wassers und der Reiswachstum wird abgebremst.

Setzen verkürzt die Vegetationszeit

Toni Suter und sein Team haben Ende April Loto-Reis gesät und Carnaroli-Reis gesetzt. «Insgesamt haben wir im letzten Jahr im Wasserschloss vier weitere Sorten – darunter auch Langkornreis - getestet. Am erfolgreichsten etablierte sich die Sorte Loto», erklärt Katja Jacot die Wahl der Reissorte.
Doch auch Carnaroli-Reis eignet sich gut. Da dieser eine etwas längere Vegetationszeit hat als Loto-Reis wurde er in diesem Jahr neu in Form von Setzlingen gepflanzt. Dies steigert die Zuverlässigkeit, dass diese Sorte im Herbst auch wirklich zu Reife kommt; die Vegetationszeit verkürzt sich so um etwa einen Monat.

Warmes Wasser und Platz für Amphibien im Kanal

Die Reis-Setzlinge konnten sogar trockenen Fusses gesetzt werden, denn das Feld wurde erst danach geflutet. Einzig der Seitenkanal des Feldes war damals schon nass. «Dieser Wassergraben am Feldrand sorgt dafür, dass das Wasser sich aufwärmen kann, bevor es sich im Feld verteilt», erklärt Katja Jacot, Projektleiterin bei Agroscope. Zudem sei der früh geflutete Wassergraben wichtig für die Entwicklung der Amphibien.

Zusammenarbeit und Erfahrungsaustausc

Im Kanton Aargau werden aktuell mit finanzieller Unterstützung des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Umwelt (Bafu) insgesamt 4,8 Hektaren mit Nassreis bepflanzt. Das Feld in Lauffohr umfasst 2,5 Hektaren, der Rest ist auf Felder von mehreren Landwirten aus der Region verteilt. «Wir streben eine langfristige Zusammenarbeit von Landwirten aus der Region an, die gemeinsam Wasserschlossreis produzieren», sagt Toni Suter.
Auch ist die Schwarz Gemüsebau AG Mitglied in der Interessengemeinschaft Nassreis. Ein Erfahrungsaustausch der gerade bei neuartigen Kulturen eminent wichtig ist.

Ein Steg für neugierige Spaziergänge


Ein Nischenprodukt wird der Reisanbau in der Schweiz vermutlich bleiben. «Es wäre schön, auch aus Sicht der Biodiversität, wenn bis in fünf bis zehn Jahren mehrere 100 Hektaren Reis auf temporär gefluteten Feldern im Schweizer Mittelland angebaut würden», sagt Katja Jacot. Dafür sei die von Toni Suter genannte Zusammenarbeit von innovativen Landwirten sehr wichtig.
Doch solange der Nassreis-Anbau in der Schweiz eine Rarität ist, sorgen die asiatisch anmutenden Reisfelder, bei manchen Spaziergängern und Wanderern für Erstaunen. «Die Leute reagieren durchwegs positives auf unser Vorhaben und zeigen sich sehr interessiert», sagt Toni Suter. Deshalb seien neue Info-Plakate aufgestellt worden und über einen Holzsteg ist das Feld noch besser für neugierige Passanten zugänglich. Von dort aus lassen sich auch die Frösche, die seltenen Vögel wie zum Beispiel Bekassinen oder Flussregenpfeifer und hoffentlich auch seltenen Amphibien wie Kammermolche oder Gelbbauchunken bestens beobachten.

 

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Hühnerhirse als Hauptproblem

Seither kommen Mitarbeiter von Schwarz Gemüsebau jeden Tag auf das Feld, um den Wasserstand zu überprüfen. Das Feld muss immer geflutet sein, doch darf das Wasser nicht so hochstehen, dass die Pflanzen ertrinken. Die Halme müssen stets aus dem Wasser herausragen. Probleme mit Unkraut sind dadurch im Nassreisanbau eher selten. Einzig die Hühnerhirse macht den Reisanbauern das Leben schwer. «Diese verbreitet sich rasch und gedeiht im Gegensatz zu den meisten anderen Pflanzen auch unter Wasser weiter. Letzte Saison haben wir deshalb 150 Stunden pro Hektare gejätet», sagt Suter. Er hoffe, dass dies in der aktuellen Saison etwas reduziert werden könne. Herbizide kommen jedenfalls keine zum Einsatz.

Doch können die bisherigen Erfahrungen von Agroscope hier miteinfliessen. «Erste Versuche zeigen, dass über die Hälfte der Hirsepflanzen unterdrückt werden können, wenn das Feld möglichst früh geflutet werden kann», sagt Katja Jacot. So kommen laufend weitere Erfahrungen dazu.

Ähnliches Ertrags-Potenzial wie Weizen

«Letztes Jahr hatten wir teilweise grosse Lücken zwischen den Pflanzen, weil ein Teil der Pflanzen ertrunken ist und den Enten zum Opfer fiel», sagt Toni Suter. Auch in diesem Jahr seien die Abstände zwischen den einzelnen Pflanzen noch recht gross. «Das kommt daher, dass wir eine Standard-Gemüsesetzmaschine verwendet haben; dort sind die Abstände nicht weiter reduzierbar», erklärt Suter.
Das Ertrags-Potenzial von Reis entspreche in etwa dem von Weizen, ergänzt er. «2019 konnten wir immerhin etwa fünf Tonnen Rohreis ernten. Dieser muss dann erst noch entspelzt, also geschält, werden», sagt Suter. Das reduziere das Gewicht nochmals recht stark. Der Wasserschlossreis wird über regionale Hofläden verkauft. «Die Nachfrage war letzte Saison höher als das Angebot. Wir hoffen, dass wir in diesem Jahr die Ernte etwas steigern können», sagt Suter. Ob dem so ist, wird sich erst ab September genauer abzeichnen. 

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Die Geschichte des Nassreis-Anbaus bei Agroscop

2017: Ein erster Pilotversuch wurde 2017 in der Grenchener Witi auf einer kleinen Parzelle von 30m2 in Zusammenarbeit mit dem Landwirt Hans Mühlheim durchgeführt. Unterstützt wurde der Versuch vom Kanton Solothurn, Raumplanungsamt, Abteilung Natur und Landschaft. Der Reis wurde in Direktsaat und mit vorgezogenen Setzlingen angebaut. Der Versuch mit den Setzlingen war ein voller Erfolg. Hochgerechneter Ertrag: 1,3 Tonnen pro Hektare.  
2018: Auf einer etwas grösseren Fläche von zirka 20 Aren wurde in Schwadernau bei Biel an der Aare in Zusammenarbeit mit dem Bewirtschafter Hans Mühlheim Nassreis angebaut. Hochgerechneter Ertrag: bis zu 8 Tonnen pro Hektare.  
2019: Eine grössere Pilotphase in Zusammenarbeit mit der HAFL fand im Rahmen eines vom BLW, BAFU und den Kantonen Aargau, Bern und Waadt finanzierten Projektes statt.  Auf 6 Feldern wurden in Zusammenarbeit mit der IG-Nassreis in mehreren Regionen des Mittellandes verschiedene Anbaumethoden und Sorten getestet und der Einfluss auf die Biodiversität beobachtet.
2020: Die Reisfelder wurden vergrössert, der Anbau optimiert. Im Frühling konnten dank weiteren Landwirten, die auf Reisanbau setzen, auf insgesamt 9 Feldern Reis angesät und später geflutet wurden. Der Anbau wird von HAFL, Vogelwarte, Infofauna, Pro Natura und Agroscope wissenschaftlich begleitet und vom BAFU sowie von den Kantonen VD und AG finanziell unterstützt.