Die Szenerie ist ungewohnt: auf dem Bahnhofsplatz, mitten im abendlichen Pendlerverkehr, schichtet eine Frau in weissem Hosenkleid emsig Mist zu einem kunstvollen, quadratischen Haufen auf. Mit dem Mist wollte die Künstlerin Barbara Kiener ein Stück Land(wirtschaft) in die Stadt bringen.

Das Publikum ist Teil der Performance

Barbara Roggwiller, Kieners Managerin, gab Auskunft über das Projekt. Die Künstlerin selbst sprach mit niemandem, was einerseits zur Performance gehörte. Andererseits war sie ja auch mit den 10 Tonnen Mist beschäftigt, die sie von 16 bis 20 Uhr umstach. 

Wie Roggwiller ausführte, habe das "Miststock Zöpfeln" nicht in dem Sinne eine konkrete Aussage. Viel mehr seien die Reaktionen der Zuschauer das Ziel. Man wolle zum Nachdenken anregen, schliesslich seien die Interpretationsmöglichkeiten vielfältig. Daher auch die Wahl des Standorts: am Bahnhofplatz seien immer viele Leute unterwegs, auch Touristen.

Eine bäuerliche Helvetia

Zügig aber sorgfältig legt Kiener zwei bis drei Gabeln voll Mist bereit, stampft das Paket fest, lädt es auf die Gabel und erklimmt den wachsenden Mistwürfel. Dieser sieht gut aus, wenn auch nicht gezopft, so aber sorgsam gestapelt. Pausen gönnt sich die Künstlerin wenig. Zwischendurch bezieht sie Stellung auf dem etwa 2 Meter hohen, noch ungeordneten Misthaufen. Dort oben sieht sie aus wie eine Helvetia mit Mistgabel, violettem Haar und ernstem Gesicht.  

Details mit Bedeutung

Kieners Managerin erklärte auch, weshalb sie mit blossen Füssen arbeitete: so komme sie direkt in Kontakt mit dem Material, spüre den Mist. Das weisse Kleid sei wie eine Leinwand, die sich im Lauf des Stapelns praktisch nebenbei selbst gestalte. Das Ende der Kunstaktion sei offen, wie es bei einer Performance typisch sei, erklärte Roggwiller; "Es kann sein, dass sie irgendwann die Kräfte verlassen und sie sich in den Mist legt. Wir wissen es nicht.". 

Gemischte Reaktionen der Zuschauer

Bei längerem Beobachten des Schauspiels hört man so einige Statements der Passanten. Die Szenerie scheint ein Mitteilungs-Bedürfnis zu wecken. Hier eine Auswahl:

  • Ältere Dame: "Eine Superidee!" 
  • Junger Mann: "Barfuess...?!"
  • Mutter zu ihren beiden Kindern: "Ja, wenn sie nüt angers ztüe het..."
  • Älterer Mann: "E settige huere Seich!"
  • Mann mittleren Alters, mit Anzug: "Das isch kei Kunscht – das isch Mischt."

Eine alte Tradition

Roggwiller bezeichnete die Künstlerin als Traditions-bewusste und naturverbundene Frau. Sie stamme aus dem Berggebiet bei Interlaken und sei beeindruckt gewesen von der alten Tradition des Mist-Zöpfelns. "Zu einem schönen Bauernhaus gehörte einst auch ein kunstvoller Misthaufen", so die Managerin. 

Organisatorisches hinter dem Misthaufen

Für den Transport des Mists habe man die Firma Ruegsegger aus Belp BE gewinnen können. Diese würde das Material nach Ende der Performance auch wieder abtransportieren. Man habe eine Bewilligung beim Tiefbauamt für die Aktion eingeholt. Angst vor aggressiven Zuschauern habe sie nicht, erklärte Roggwiller. "Die Performance ist zu wenig konkret dazu. Sie bietet keine Angriffsfläche und niemand kann sich wirklich angegriffen fühlen".

Eines ist bei der Aktion sicherlich gelungen: man kam ins Gespräch. Manch einer mag gegrübelt haben, wie unpassend ein Misthaufen mitten in der Stadt sei. Dies, obwohl die Landwirtschaft doch alle etwas angeht.