So stürmisch wie das Wetter dieses Frühjahr tobt derzeit der Abstimmungskampf. Dieser befindet sich – glücklicherweise – in der Schlussgeraden. Die Gehässigkeiten haben ein Ausmass angenommen, die das Erträgliche teilweise überschritten haben. Drohungen und Vandalismus gehörten in dieser Auseinandersetzung zum Alltag wie in den letzten Wochen der Regen. Die Ursachensuche ist einfach und komplex zugleich. Die ein-fache Variante: Zwei unnötige Initiativen wollen die Landwirtschaft auf den Kopf stellen und sorgen in der bäuerlichen Bevölkerung und darüber hinaus für Existenzängste. Diese wehrt sich zu Recht.

Ruhepause von kürzestmöglicher Dauer

Leider ist die Ausgangslage etwas komplexer. Die Schweiz ist ein enges Land. Die Landwirtschaft prägt die letzten und ständig schrumpfenden Grünflächen entscheidend. Mit ihrer Bewirtschaftung stehen die Landwirt(innen) im Schaufenster, weil die (Freizeit-)Gesellschaft viele Erwartungen mit ihrem Erholungsraum verbindet. Das ist ebenso zu respektieren, wie der Anspruch der Landwirtschaft auf unternehmerische Freiheit, zumal sich dieselbe Gesellschaft bis anhin recht spendabel zeigte.

Dass die Initiativen zu radikal und abzulehnen sind, steht ausser Diskussion. Diese Einsicht scheint sich langsam aber sicher auch bei einer wachsenden Mehrheit des Souveräns durchzusetzen, nicht zuletzt dank dem aufopfernden Engagement der Branche im Abstimmungskampf.

Sollte dieses tatsächlich Erfolg zeitigen, wird die Ruhepause aber von kürzestmöglicher Dauer sein. Im zweitschlimmsten Fall resultiert am 13. Juni lediglich ein ablehnendes Ständemehr. Die Diskussionen nach demselben Verdikt gegen die Konzernverantwortungs-Initiative hat man noch im Ohr und eine Wiederholung wünscht sich niemand im Primärsektor. Doch auch, wenn es gelingt, gegen beide Initiativen die Volksmehrheit zu holen, werden weitere landwirtschaftskritische Angriffe auf dem Fuss folgen. Alleine die drei weiteren hängigen Agrar-Initiativen bieten dafür Gewähr.

Aufgerissene Gräben zuschütten

Die nun aufgerissenen Gräben werden sich nicht von selber zuschütten. Dafür braucht es beidseitiges Engagement. Gefordert sind hier in erster Linie die Initiant(innen) und ihre Basis. Sie stellen die Landwirtschaft in geradezu fahrlässiger Weise an den Pranger, und das bis weit in den Biosektor hinein. Gefordert sein werden aber auch die zu Recht gekränkten Bauern und Bäuerinnen sowie der ganze vor- und nachgelagerte Sektor. Viele grosse Player sind hier in den letzten Monaten sehr unauffällig im Windschatten der Produzenten gesegelt. Sie haben aus ihren Portokassen etwas springen lassen, aber engagierte Rückendeckung sieht anders aus.

Zwar sind sie verlässliche Lieferanten und Abnehmer, aber politisches Engagement scheuen sie stärker als der Teufel das Weihwasser. Dies ist eine schmerzhafte Lektion, aber die Bauernfamilien tun gut daran, daraus zu lernen. Auch in den bevorstehenden Auseinandersetzungen werden sie und ihre Volksvertreter(innen) den Löwenanteil der agrarpolitischen Arbeit zu buckeln haben. Da kommt neben den weiteren Volksbegehren einiges auf die Landwirtschaft zu: Absenkpfade, Klimapolitik, sowie Druck auf Tierhaltung und Pflanzenschutz.

Nun kann man solche Herausforderungen auf verschiedene Weisen angehen. Was sich aufgrund der aktuellen Grosswetterlage leicht voraussagen lässt: Verteidigungshaltung wie beim eingerollten Igel wird kaum sehr weit führen. Vor Wochenfrist schrieb es ein Produzent hier treffend: Ein solcher Abstimmungskampf ist kein zweites Mal zu gewinnen. Um es bildlich auszudrücken: Wahrscheinlich ist Muniflüstern der bessere Weg, als den Stier frustriert an den Hörnern zu packen. Es braucht Dialog, innerhalb der Branche und darüber hinaus.

Wenig Potenzial im Dauerkonflikt mit der Gesellschaft

Wenn es eine positive Erkenntnis aus diesem Abstimmungskampf gibt, dann die, dass mehr Bauern und Bäuerinnen denn je das Gespräch mit ihren Kunden gesucht haben. Das muss unbedingt fortgesetzt werden. Nicht nur, um bei den Konsument(innen) um Verständnis zu werben. Umgekehrt gilt es, gut auf sie zu hören. Sie haben Bedürfnisse, Ängste und Ideen, manchmal auch solche, die im ersten Moment etwas lachhaft erscheinen. Aber diese Emotionen bergen auch Chancen. Chancen, die Geschäftstätigkeit über das Bewährte hinaus zu erweitern und so die Wertschöpfung zu erhöhen. Denn in der dauerhaften Konfrontation mit der Gesellschaft liegt wenig Potenzial.