LID: Sie verfassen Artikel zu landwirtschaftlichen Themen und erklären auf Youtube etwa, wie die Rübenernte abläuft. Was erhoffen Sie sich von ihren Beiträgen?

Willi Kremer-Schillings (Bauer Willi): Ich will die Leute zum Denken anregen. Sie sollen begreifen, warum ich so produziere, wie ich produziere und dass ich auch anders produzieren kann. Die Konsumenten müssen verstehen, dass sie mitspielen müssen. Der Marktanteil für Biofleisch liegt in Deutschland momentan bei 1 Prozent. Das passt doch nicht zur öffentlichen Diskussion.

Was kann der Konsument ändern?

Sein Kaufverhalten. Jeder Kauf ist der Auftrag, das Produkt in der genau gleichen Weise so noch einmal herzustellen. Wenn ich das Suppenhuhn für 2,99 Euro kaufe, dann wird sich der Supermarkt bemühen, das Produkt genau so noch einmal ins Verkaufsregal zu bringen. Das gilt übrigens nicht nur für Lebensmittel, sondern auch beispielsweise für die Textilindustrie.

Warum ist dieses Bewusstsein verloren gegangen?

Die meisten Leute haben keinen Bezug mehr zur Landwirtschaft. Hinzu kommt ein fehlendes Fachwissen. Selbst einfache biologische Vorgänge, beispielsweise dass Stickstoffe nicht per se böse ist, sondern in Pflanzen, Tieren und Menschen als Grundbaustoff vorkommt, ist den meisten unbekannt.

Werden Sie nicht müde, den Konsumenten die Landwirtschaft zu erklären?

Stimmt, es ist schon anstrengend und kann auch ermüdend sein. Es macht mir aber Spass, mit Leuten über die Landwirtschaft zu diskutieren und deshalb mache ich auch Vorträge. Ich bin unkompliziert, aber sage immer die Wahrheit. Wenn man mir widerspricht, dann widerspreche ich ihnen. Wir Landwirte schimpfen immer, dass wir nicht von der Bevölkerung anerkannt werden. Dagegen müssen wir selber etwas tun.

 

Das ist Bauer Willi

Dr. Willi Kremer-Schillings hat fast 40 Jahre in der freien Wirtschaft gearbeitet und im Nebenerwerb einen 40-Hektar-Ackerbaubetrieb geführt. Als er mit 60 in den Vorruhestand kam und sich die Nachbarn über die Güllegaben und den Traktoreinsatz für den Pflanzenschutz beschwerten, schrieb er den Brief «Lieber Nachbar» und veröffentlichte ihn auf dem Blog eines Kollegen. Der Beitrag ging viral, seither ist Kremer-Schillings unter dem Pseudonym Bauer Willi oft für Vorträge unterwegs. Er war schon bei Bundeskanzlerin Angela Merkel und in der Talkshow von Günther Jauch. Sein Buch «Sauerei» erschien 2016, zurzeit sammelt er Material für ein weiteres Buch.

 

Was sollen Landwirte konkret unternehmen?

Zu sagen «ich habe keine Zeit» ist relativ einfach, aber wenig zielführend. «Sich keine Zeit nehmen» und «keine Zeit haben» sind zwei verschiedene Dinge. Wenn Landwirte sagen, sie könnten nicht so gut reden, dann empfehle ich ihnen einen Rhetorik-Kurs. Schliesslich machen wir ja sonst auch Kurse für alles Mögliche, um Schweissen zu lernen zum Beispiel. Warum also kein Rhetorik-Kurs? Aber am wichtigsten ist, überhaupt ins Gespräch zu kommen.

Landwirte haben viel Arbeit und nicht viel Zeit. Sollten die Verbände mehr machen?

Jede Landwirtin und jeder Landwirt kann Beispiele aus seinem Alltag erzählen. Das kann kein Verbandspräsident. Der wäre wenig glaubwürdig, weil er seine Interessen vertritt. Ein Landwirt aber ist glaubwürdig. Es soll kein Erklären und Belehren sein, sondern ein Gespräch, bei dem auch der Konsument zu Wort kommt und Fragen stellen kann. Es geht nicht darum, ein Gespräch zu «gewinnen» oder den Gesprächspartner zu überzeugen. Wenn der Konsument sich beim nächsten Einkauf nochmals durch den Kopf gehen lässt, was der Landwirt ihm gesagt hat, ist das Ziel erreicht. Das Gegenüber zum Nachdenken anregen, ist das Hauptziel.