«Sind die Sportsachen, die ich im Waschraum deponiert habe, gewaschen?», ruft mein Ältester aus dem ersten Stock. «Ich habe sie nicht in die Waschmaschine beordert», entgegne ich. Mit einem nachgelagerten Seufzer. Jan eilt die Treppe runter und grinst: «Aber das steht doch in deinem Pflichtenheft. Du solltest dieses dringend wieder mal lesen!» Bevor ich etwas entgegnen kann, ist er im Waschraum verschwunden.


Wie halten Sie es mit Ihrem Pflichtenheft? Ach, Sie wissen gar nicht, worum es geht? Zur Behebung des Unverständnisses: Das Pflichtenheft, so jedenfalls bin ich von meiner Jungmannschaft informiert worden, wurde bei ihrer Geburt den glücklichen Eltern übergeben. Leider habe ich dieses offenbar in den ersten hektischen Tagen verlegt. Und bis anhin auch nicht wiedergefunden. Doch dies ist nicht weiter dramatisch, denn meine Kinder wissen mit Präzision, was darin steht.

Spannend (und manchmal auch nervend) empfinde ich den Umstand, dass meine Kinder nichts von einem an sie gerichteten Pflichtenheft wissen (wollen). Ein beidseitiger Verlust ergäbe eine Gleichstellung. Vielleicht gar eine Grundlage für gegenseitige Kulanz? Die von meinen Kindern vehement vertretene Einseitigkeit (trotz meiner entgegengesetzten Behauptung) führt bisweilen zu intensiven Debatten. Das Wort «Zumutbarkeit» hat dabei ein nicht unerhebliches Gewicht. Und birgt Zündstoff. Nur zu gerne würde ich mich darüber mit dem geheimnisvollen Schreiber unterhalten.

Wichtigste, angebliche Punkte in meinem Elternpflichtenheft:

Stete! mentale, liebevolle Unterstützung (Humor inbegriffen), auch bei unausstehlichem Verhalten der Kinder.

Zu jeder Zeit verfügbarer Taxidienst bieten.

Geradestehen, wenn die Kinder etwas ausgefressen haben.

Toleranz, damit verbunden wenig Pflichtenauferlegung, viel Freiheit.

Stets für jedes das Lieblings­jogurt im Kühlschrank lagern.

Nur Lieblingsessen kochen.

Wäsche innerhalb von spätestens 24 Stunden gereinigt und gebügelt.

Nicht auf unhöfliches, unüberlegtes Verhalten hinweisen.

Ethisch und moralisch korrektes Vorleben.

Täglich 24 Stunden Aufrechterhaltung medizinischer Notfalldienst.

Täglich 24 Stunden Aufrechterhaltung psychologischer Notfalldienst.

Im Gegenzug das Schreiben für die Kinder (meine Deutung):

Rücksicht auf den Tagesablauf der ganzen Familie.

Mithilfe.

Altersgemässes, überlegtes Handeln und Verhandeln.

Über die eigene Nasenspitze schauen und sich nicht als Mittelpunkt der Erde betrachten.

Schlechte Laune mitteilen, um sie dann mit körperlicher Aktivität zu neutralisieren.

Umgänglichkeit, Höflichkeit.

Geradestehen für eigenes Tun.

Planen!!

Diskutieren und nicht immer nur streiten.

Essen, was auf den Tisch kommt (so schlecht koche ich nämlich nicht   )

Sorgsamer Umgang mit sich und den Familienmitgliedern.


Mein Kompromissvorschlag: Ich halte meine Pflichten ein und die Kinder somit auch ihre, ist bislang an kurzfristiger, innigster Verbündung meiner Jungmannschaft (natürlich gegen mich) grösstenteils gescheitert. Dennoch, so überlege ich, sind sie eigentlich alle gut unterwegs. Manches fruchtet wohl erst in der Aussenwelt.

Sabine Nussbaumer