Ein Schäumchen Schnee liegt auf den Matten an diesem frühlingshaften Januartag. Das letzte ­schmale Wegstück zum Hof von Dorothea und Peter Kipfer in Oberfrittenbach bei Langnau i. E. ist vereist. Vom «Raingut» geniesst man ringsum eine herrliche Sicht auf die typische Emmentaler Hügellandschaft mit Gräben und Wäldern.


An der Hausmauer streckt ein Jasminstrauch seine blütenübersäten Äste den warmen Sonnenstrahlen entgegen. «Und das 
Anfang Jahr», meint Dorothea Kipfer staunend. Sie liebt Pflanzen und Blumen über alles; Sonnenblumen haben es ihr besonders angetan. Die Bauersfrau besorgt einen grossen Gemüsegarten und die Pflanzung. In der Hostet stehen Apfel-, Birnen- und Zwetschgenbäume.



Kochen 
auf dem Holzherd

In dem 1820 erbauten Bauernhaus auf dem «Raingut» hat schon Urgrossvater Kipfer gelebt. Als Dorothea Kipfer 1971 auf den Hof kam, wurde in der Rauchküche noch auf offenem Feuer gekocht. Später wurde ein Kamin gebaut und das Dach erneuert. Geheizt wird mit Holz aus dem eigenen Wald. Nach wie vor kocht Dorothea Kipfer am liebsten auf dem Holzherd.


«Im Zieglerspital Bern habe ich eine Lehre als Köchin gemacht und fünf Jahre dort gearbeitet. Während eines zweijährigen Welschlandaufenthalts habe ich mein Haushaltslehrjahr abgeschlossen. Schliesslich ab
solvierte ich vor der Heirat die Bäuerinnenschule in Freiburg», erzählt die Bauerntochter, die in Brenzikofen, nördlich der Stadt Thun, aufgewachsen ist.

«Anfänglich habe ich die Berge schon etwas vermisst, als ich ins Emmental zog. Wir bewirtschaften rund zehn Hektaren. Neben der Milchwirtschaft betreiben wir ein wenig Acker- und etwas Kartoffelbau», erzählt Dorothea Kipfer. Im Stall stehen auch Rinder, ein Pferd und ein Pony­esel.

«An der Landwirtschaft schätze ich vor allem, dass mein Mann meistens in der Nähe arbeitet und die Kinder ihren Vater nicht erst nach Feierabend sahen», erklärt die Mutter von drei erwachsenen Kindern und inzwischen stolze Grossmutter von  fünf Enkeltöchtern. Vor Kurzem hat das Ehepaar den Hof verpachtet und gleichzeitig der Tochter überschrieben.


Ihre liebste Freizeitbeschäftigung und eine willkommene Abwechslung ist der Wochenmarkt in Langnau. «Wir sind sechs Bauernfrauen, die sich gegenseitig abwechseln, wenn wir «z Märit» gehen. Angeboten wird Gebackenes, Gedörrtes, Blumen oder Gestecke», sagt Dorothea Kipfer. Sehr beliebt sind ihre hausgemachten «Birewegge».



Aus dem Bienenhaus 
ist eine Unterkunft geworden

Für Kinder, deren Eltern nicht die vollen Wochenenden und die Ferien zu Hause abdecken können, hat ein Aargauer Schulheim im Emmental eine Wochenend- und Ferienbetreuung aufgebaut. «Wir hatten immer Pflegekinder, und seit zwei Jahren haben wir wieder einen Bub, obschon ich eigentlich keine Kinder mehr aufnehmen wollte. Natürlich haben wir ihn ins Herz geschlossen, und dem Zehnjährigen gefällt das Leben auf dem Bauernhof. Er hat gerne Tiere und die lustige schwarzweisse Katze Mia aufgezogen», erzählt die Bäuerin.


Als Nebenerwerb vermieten Dorothea und Peter Kipfer Zimmer und Matratzenlager mit Dusche und Bad. Das umgebaute ehemalige Bienenhaus dient ebenfalls als Unterkunft. Wenn die Gäste am Morgen das Panorama sehen, sind sie oft überwältigt. Nicht selten kommen die Besucher mehrmals aufs «Raingut». Das zeigt sich auch bei den vielen Einträgen aus Amerika, Japan oder Frankreich in den Gästebüchern.



Soziale Verantwortung wahrnehmen

«Wir lernen Leute von überall in der Welt kennen und brauchen gar nicht in die Ferne zu reisen. Einmal sind wir nach Brasilien geflogen und haben dort die Familie unserer Schwiegertochter kennengelernt. Dieses Erlebnis bleibt unvergesslich», sagt Peter Kipfer beim Zimis am behäbigen Küchentisch.


Aufgetischt wird nach Emmentaler Art: selbst gebackene Güetzi, Christstollen und eine köstliche Creme mit Brombeeren aus dem eigenen Garten. Da greift auch Werner zu, der seit über 20 Jahren auf dem Hof wohnt. Er ist geistig behindert und hat hier ein Daheim gefunden. Als begeisterter Fan der SCL Tigers ist er glücklich, wenn er ab und zu einen Hockeymatch in der Ilfishalle Langnau besuchen kann.

Dorothea und Peter Kipfer ist es wichtig, Menschen, die nicht auf der Sonnenseite stehen, zu helfen und ihre soziale Verantwortung wahrzunehmen.



Brigitte Meier