Der Hofladen sei ihr eine Herzensangelegenheit, sagt Bio-Bäuerin Margrit Lehmann. Die sorgfältig auf einem grünen Tuch arrangierten kleinen Brokkoliköpfe, der in etwas Wasser eingestellte Lauch und die getrockneten Gemüsescheiben spiegeln ihren Ehrgeiz genauso wie ihre Leidenschaft. Die Direktvermarktung des Biohof Lehmann ist eine Erfolgsgeschichte, obwohl die Familie kaum Werbung dafür macht und auch keine Website hat. «Mund-zu-Mund-Propaganda ist die schönste Art, Kunden zu gewinnen», findet die 51-Jährige. Und den Kontakt zu ihnen schätze sie sehr.

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Der Erfolg hat aber auch einen Preis, denn der Aufwand fürs Rüsten, Auffüllen und Konservieren ist gross. Sie mache alles gerne, aber eben gerne sauber und genau. «Im Moment lebe ich für den Betrieb», räumt Margrit Lehmann bei der Frage nach einer Freizeitbeschäftigung ein.

Hofladen statt Milchkühe

Eine grundsätzliche Änderung auf dem Hof soll in Zukunft einiges erleichtern: Heute steht die letzte Kuh mit ihrem Kalb auf der Weide. Lehmanns haben die Milchproduktion aufgegeben. Im nun leeren Stall soll der neue Hofladen entstehen – grösser und näher am Rüst- und Verarbeitungsraum, die im alten Gustistall eingerichtet sind. Das verkürzt die Wege und vereinfacht damit die Betreuung des Ladens. «Ausserdem hätte es dann auch Platz für eine Waage für den Offenverkauf», ergänzt Margrit Lehmann.

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Wo früher das Jungvieh stand, kocht die Bio-Bäuerin heute diverse Sorten Konfitüre, trocknet Bohnen, Peperoni und Zucchettischeiben oder macht Gemüse ein. Auf Augenhöhe vor einem langen Fenster zum Gang hin stehen Säckchen und Gläser sauber aufgereiht. Es ist Margrit Lehmanns Reich, in dem konsequent die Musikwelle läuft, statt DRS3 wie auf dem Rest des Hofs, kommentiert sie das kleinen Radio mit einem Lächeln. Eines der Lieblingsprodukte der Bäuerin sind die getrockneten Erdbeerscheiben, die ihre Schwiegereltern herstellen – eine echte Delikatesse. «So etwas ist nur möglich, wenn man jemanden hat, der diese Arbeit für ein Merci oder einen gelegentlichen Blumenstrauss macht», bringt sie ihre Dankbarkeit zum Ausdruck.

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Gotte wird zur Schwiegermutter

Auch bei ihrem Weg zu Hansueli nach Utzenstorf spielten ihre künftigen Schwiegereltern eine wichtige Rolle: «Ich bin in Toffen im Gürbetal aufgewachsen, mit Kabis», erinnert sich Margrit Lehmann. Als Kind sei sie mit etwas Gemüse vom gemischten Betrieb ihrer Eltern durchs Dorf gezogen. Direktvermarktung und Kundenkontakt erlebte sie also schon früh. «Da ich das dritte Kind war, suchte man etwas weiter für eine Gotte und wurde bei Hansuelis Mutter fündig.» Diese sei mit ihrer eigenen Mutter befreundet gewesen und das Mädchen immer wieder für die Ferien in Utzenstorf. Es habe zwar eine Weile gedauert, aber dann kamen Hansueli und sie zum Schluss, dass sie zueinander passen.

Gemeinsam führen Lehmanns heute den Betrieb von Hansuelis Eltern mit rund zwei Hektaren Gemüse im Freiland und in vier Folientunneln.

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Die Töchter helfen mit

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Unvermittelt steht die 9-jährige Lorena mit Gummistiefeln und Regenhosen im Türrahmen zur Küche. Sie ist der Nachzügler der Familie, aber wie ihre 21 Jahre alte Schwester Jana sehr zum Mithelfen motiviert. Jana arbeitet im Werbebereich und hat die grüne Hoftafel gestaltet. Auch das Esszimmer trägt mit den weissen Verkleidungen ihre Handschrift. Mit ernsthaftem Nicken quittiert Lorena das Angebot, einen Kunden über die Verfügbarkeit frischer Radieschen zu informieren. «Wir wollten immer mehr als ein Kind. Nach 12 Jahren hat sich Lorena dann entschieden, zu uns zu kommen», erklärt Margrit Lehmann liebevoll den grossen Altersunterschied ihrer Töchter.

Sie sei nicht die Art von Mutter, die sich hinsetzt und mit den Kindern spielt. Vielmehr teilen sie den Alltag und abends gehört vor dem Einschlafen eine Geschichte dazu.

Wenig Gelegenheit zum Traktorfahren

Während ihrer zweiten Schwangerschaft habe sie ihren Job bei der Post aufgegeben. Dort hatte sie einst auch ihre Lehre als Privatassistentin gemacht. Mit dem Ausbau der Direktvermarktung habe sich dieser Schritt schon abgezeichnet, relativiert Margrit Lehmann. Zudem habe sich die Post verändert., ihre Produkte und Dienstleistungen seien nicht mehr so gefragt – ganz im Gegensatz zu Lehmanns Gemüse. «Es war eine Entscheidung mit Wehmut, aber gut so», bilanziert die Bäuerin.

Zu Margrit Lehmanns Alltag gehören die typischen Aufgaben einer Bäuerin und Mutter. So schmeisst sie den Haushalt und kocht – Um in dieser Hinsicht noch etwas anderes zu sehen, besuchte sie die Hauswirtschaftsschule. Aber «Traktorfahren tue ich auch gerne», ergänzt sie. Nur bieten sich dafür auf dem Hof so wenig Gelegenheiten, dass eher ein Lehrling oder Hansueli sich ans Steuer setzt. «Es bleibt aber noch das Rasenmähen», meint die Bio-Bäuerin verschmitzt. Seit ein Aufsitzmäher im Einsatz ist, meldet sich auch Lorena gern freiwillig.

«Es war zu viel»

Der Sommer 2017 war für Margrit Lehmann ein Wendepunkt. «Wir hatten einen Pool aufgestellt, aber ich habe es nie hineingeschafft», schildert sie. Sie möge Kunden, rede gerne über die Landwirtschaft oder Alltägliches. Viele sind Stammkunden und da der Hofladen nicht an einer Durchgangsstrasse liegt, kommen Besucher meist gezielt. «Aber wir dachten: Jetzt ist der Moment, das müssen wir in Kauf nehmen», fährt die Bäuerin fort. Seitdem gibt es Öffnungszeiten für den Hofladen, an Sonn- und Feiertagen ist er geschlossen. Sie hätte gerne durchgehende Öffnungszeiten geboten, «aber es war zu viel», sagt sie knapp.

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Gerächt hat sich dieser Entscheid nicht – der Hofladen floriert. So sehr, dass Lehmanns in Zukunft ganz auf Gemüse setzen. Erste positive Veränderungen hat die Leere im Stall bereits gebracht: «Jetzt schaffen wir es öfter, um 18.15 Uhr zusammen Znacht zu essen.» Darüber freut sich Margrit Lehmann sichtlich.