Manchmal fragen mich Patienten, wieso ich so aufgestellt und ausgeglichen wirke. Dann erzähle ich, dass dies sicher an meinem Hauptberuf Bäuerin liegt, und dass die Kombination mit meiner Teilzeitanstellung als Pflegefachfrau für mich einfach optimal ist.» Hermine Frei hat vor gut 25 Jahren, nach der Geburt von Sohn Matthias, die Arbeit im Spital aufgegeben. Knapp zwei Jahre später kam Tochter Selina zur Welt. «Nun war meine Zeit ausgefüllt mit Familien- und Betriebsarbeit. Die Bäuerinnenausbildung mit Fachausweis berechtigte mich, bäuerlich-hauswirtschaftliche Lehrtöchter auszubilden.» Diese Arbeit habe ihr viel gegeben.

Keine Lernenden mehr im Haushalt


Hermine Frei ist auf einem Bauernhof in Watt ZH aufgewachsen, nun wohnt sie mit ihrer Familie auf einer Siedlung etwas ausserhalb, mit Sicht auf den schönen Katzensee. Der Wert der Selbstversorgung, der gesunden, ausgewogenen Ernährung sei ihr im Laufe der Jahre bewusst geworden. Auch heute sterilisiert sie Früchte vom Hof, anderes wird heiss eingefüllt – genauso wie sie es in der Bäuerinnenschule gelernt hat. Und im Winter geniesst die ganze Familie feine Sommerfrüchte aus dem Glas.

«Es ist jammerschade, dass man dieses bäuerliche Haushaltjahr abgeschafft hat», ist sie überzeugt. Um EU-kompatibel zu sein, habe das Bundesamt dieses einjährige, sehr wertvolle Praxisjahr einfach gestrichen, ärgert sie sich. Fachangestellte Haushalt ist heute die entsprechende dreijährige Ausbildung, diese verliert aber immer mehr an Bedeutung. Gleichzeitig fehle hauswirtschaftliches Wissen bei Jugendlichen und in jungen Familien.

«Als Bäuerin konnte ich diesen jungen Frauen so viel fürs Leben mitgeben: die Zusammenhänge in der Natur erklären, die Organisation des Haushalts und der Familie vorleben, abwechslungsreiche Menupläne besprechen, Ernährung, Selbstversorgung, Garten und Landwirtschaft näherbringen.»

Nun werden bei Freis keine angehenden Hauswirtschafterinnen mehr ausgebildet. Die Ausbildung von Lernenden in der Landwirtschaft hat aber auf dem Betrieb von Hans und Hermine eine lange Tradition. Sohn Matthias wird schon bald in die Spuren von Vater und Grossvater treten.

Hermine Frei pflegt mit Begeisterung ihren Gemüse- und Beerengarten. «Ich habe da schon einiges ausprobiert, manches auch wieder fallen lassen, wie Zuckermelonen: Die werden bei uns einfach nicht richtig süss.» Den Garten bewirtschaftet sie ökologisch, sie pflanzt jene Gemüse an, die gut mit minimaler Pflege gedeihen. Die Kir­schen­ernte, tagelanges Auf-der- Leiter-Stehen war für sie bisher fast wie Ferien. «Die Kirschen können wir gut ab Hof verkaufen, meist gibts dazu auch die ersten Kartoffeln aus dem Garten», schwärmt sie.


Richtig Sorgen macht ihr die Suzukii-Fliege. «Die Herbsthimbeeren waren letztes Jahr einfach zum Wegwerfen, sauer wie Essig und voller kleiner Maden! Das Gleiche bei den Trauben, die neben dem Haus und im Watter Rebberg wachsen und reifen.» Mit grosser Unsicherheit sieht sie der kommenden Ernte von Kirschen, Beeren und Trauben entgegen und meint dann kritisch: «Vielleicht kommen solche Schädlinge manchmal auch mit Importfrüchten aus allen Ländern der Welt zu uns, wir Produzenten haben dann das Nachsehen. Viele Konsumenten schauen nur auf die Preise von Lebensmitteln, wollen überall das billigste und zu allen Zeiten alles, regional und saisonal sind Fremdwörter.»


Auf die Bedürfnisse von Teilzeitarbeitenden eingehen


Das Telefon läutet, und Hermine Freis Chefin teilt ihr mit, dass sie nicht zum Spätdienst antreten müsse. «Das ist mir heute eigentlich grade recht», meint sie. Teil ihrer Anstellungsbedingungen ist, dass sie ausserplanmässig zum Arbeiten angefragt werde oder wie heute, zu Hause bleiben könne. Diese Flexibilität passe zu ihrem Alltag, als Bäuerin sei sie ja auch freischaffend.

Vor sieben Jahren hat sie nach 18 Jahren Berufspause in einem Privatspital ein Kleinpensum übernommen. «Ich war überrascht, wie schnell ich diese Stelle bekommen habe, obwohl ich nur etwa eine Drittelstelle besetze und mir ausbedungen habe, keine Nachtwachen zu übernehmen. Innert einer Woche war ich eingearbeitet. Die Patientenbedürfnisse haben sich kaum geändert, technisch und medizinisch musste ich mich zuerst reinknien, aber mit meinem Interesse und meiner Motivation war das kein Problem.» Kritisch meint sie noch: «Wir hätten schweizweit keinen Pflegenotstand, wenn die Spitäler und Heime auf die Bedürfnisse von Wiedereinsteigerinnen hören und eingehen würden.»

Margreth Rinderknecht