«Bauern sprühen Antibiotika auf Gemüse, Früchte und Reis», titelt «der Bund«. Der Artikel bezieht sich auf eine aktuelle Studie, die sich mit dem Einsatz von Antibiotika als Pflanzenschutzmitteln beschäftigt hat. Im Fokus waren Länder in Afrika, Amerika und den Regionen West-Pazifik, östliches Mittelmeer und Südostasien.

Genaue Daten fehlen meist

Während Antibiotika in der Nutztierhaltung und Tiermedizin oft diskutiert, kritisiert und in vielen Ländern auch überwacht werden, ist dies bei Pflanzenschutzmitteln mit Antibiotika nicht der Fall. Von den 158 in einem ersten Schritt untersuchten Ländern, hätten nur drei Prozent Angaben zu Art und Menge der Antibiotika im Pflanzenbau machen können.

Analyse basiert auf Empfehlungen

Um trotzdem an Daten zu kommen, analysierten die Forschenden die Aufzeichnungen eine landwirtschaftlichen Entwicklungsprogramms (Plantwise), das in 33 Ländern aktiv ist und Bäuerinnen und Bauern unter anderem im Pflanzenschutz berät.

Diese Berater verfassen detaillierte Protokolle ihrer Arbeit, die z.B. Aufschluss geben über die betroffene Kultur, die gestellte Diagnose und das empfohlene Vorgehen. Ob die beratenen Landwirte jeweils die Ratschläge in die Tat umsetzten, ist nicht bekannt. 

 

In der Schweiz verboten

«In der Schweiz ist die Benutzung von Antibiotikum als Pflanzenschutzmittel verboten. Die Ausnahmebewilligung für die Streptomycin wurde vor 5 Jahren nicht erneut.», schreibt das Bundesamt für Landwirtschaft auf Anfrage der BauernZeitung. Das Antibiotikum Streptomycin war zuvor gegen den Feuerbrand im Obstbau zugelassen gewesen. Von 2008 bis 2015 wurde es aber laut dem BLW nicht eingesetzt. Zudem war jeweils die Anzahl Anwendungen pro Jahr begrenzt (2008 bis 2009 durfte man dreimal spritzen, 2010-2013 noch zweimal und von 2014 bis 2015 nur einmal). 

Teilweise staatlich gefördert

Weltweit unterscheidet sich der Umgang mit Antibiotika als Pflanzenschutzmitteln sehr. Gemäss den Studienautoren bewilligen weder die EU noch Brasilien solche Wirkstoffe, andere Länder kennen Notfallzulassungen dafür oder haben gar keine Regelungen in diesem Bereich. In vielen Ländern Südostasiens und der Region Westpazifik sei man ausserdem von der Wichtigkeit und den umweltschonenden Eigenschaften von Antibiotika im Pflanzenbau überzeugt. In China werde deren Einsatz sogar von der Regierung gefördert. 

 

Grosse regionale Unterschiede

In 17 der 33 Länder, in denen Plantwise aktiv ist, wurden Antibiotika empfohlen. Für die Analyse blieben 11 Nationen, in denen im Zeitraum von 2012 bis 2018 mehr als 10 mal ein derartiges Pflanzenschutzmittel verschrieben worden ist. In Afrika war dies beispielsweise nie der Fall.

Die meisten Antibiotika-Empfehlungen gab es in Südostasien, gefolgt vom West-Pazifik, Amerika und dem östlichen Mittelmeerraum. 

Vor allem für Reis und auch gegen Insekten

Am häufigsten sollten Reiskulturen mit Antibiotika behandelt werden (in 974 Fällen), weit abgeschlagen auf dem zweiten Platz folgen Tomaten (143 Fälle) und Zitrusfrüchte (117), danach Paprika (61 mal) und Kartoffeln (36 Fälle). 

Zwar lautete die Diagnose bei einer Antibiotika-Empfehlung meist auf eine bakterielle Pflanzenkrankheit (1038 mal), aber es gab auch Nennungen von Insekten (311) und Pilzkrankheiten (155), die so bekämpft werden sollten. Antibiotika wirken aber nachweislich nur gegen Bakterien. Allerdings waren die Plantwise-Protokolle z. T. widersprüchlich und nicht einfach zu interpretieren. 

 

Gefahr von Resistenzen

Es ist zu befürchten, dass mit Antibiotika behandelte Bakterien, die Pflanzen befallen, Resistenzen entwickeln und diese an Erreger menschlicher Krankheiten weitergeben. In der genannten Studie heisst es zudem, dass das Bakterien bis zu 100'000 mal schneller eine Antibiotika-Resistenz aufbauen, wenn sie mit einem Mix aus Antibiotika und anderen Pflanzenschutzmitteln bekämpft werden. Das sei oft der Fall. 

Kleine Mengen trotzdem eine Gefahr

Daher ist der Einsatz solcher Wirkstoffe auf Feldern bedenklich, auch wenn die Mengen im Vergleich zu dem, was in der Tiermedizin eingesetzt wird, sehr klein sind (schätzungsweise 0,26 bis 0,5 Prozent der gesamten Menge in der Landwirtschaft eingesetzter Antibiotika). 

 

Kontrollen zu Rückständen gibt es nicht

Wie «der Bund» schreibt, gibt es keine flächendeckenden Kontrollen auf Antibiotika-Rückstände bei Früchten, Gemüse oder Reis. Bei vereinzelten Stichproben habe man aber keine hohen Belastungen gefunden, wird das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen zitiert. 

Die Detailhändler Coop und Migros verweisen im Bund-Artikel darauf, ihre Lieferanten müssten die SwissGAP und GlobalGAP einhalten. Nach diesen Standards ist der Einsatz von Antibiotika im Pflanzenbau keine gute Agrarpraxis und höchstens in Ausnahmefällen zugelassen.