Am ersten Tag der Pausenmilch im Jahr 2001 erhielten 110'000 Schülerinnen und Schüler einen Becher Milch. Dieses Jahr genossen 325'375 Kinder – oder anders gesagt, über ein Drittel der Schul- und Kitakinder in allen Landesgegenden – in der grossen Pause eine Portion Milch. Der Ausschank wird jeweils von Landfrauen und Bäuerinnen ehrenamtlich betreut. Dank ihrer Nähe zum Produkt seien sie die besten Botschafterinnen, die es für die Milch gibt, heisst es bei  Swissmilk. Ein Riesenerfolg, so scheint es.

Werbung zeigt ein Bild der Minderheit

Wenn da nur die Lehrer aus Wallisellen ZH und die Veganer nicht wären. Sie stören sich daran, dass an Schulen (Milch-)Werbung betrieben wird. Auch solche, die nicht der Wirklichkeit auf den Höfen entspricht. Nehmen wir als Beispiel die glücklich weidende Werbekuh mit den Hörnern. In der Schweiz gehört sie einer Zehn-Prozent-Minderheit an. Weiter wird die Empfehlung, dass ein Kind Milch für eine gesunde Ernährung benötige, hinterfragt. Ernährung sei Elternsache, sagen die Kritiker. Wallisellen sei ein Einzelfall, so Swissmilk. Ist es das?

Kinder mögens mit Geschmack

Weiter heisst es bei Swissmilk, man habe die Empfehlung herausgegeben, die Milch «natur» auszuschenken, da der Ausschank von aromatisierter Milch zunehmend für Kritik vonseiten Lehrpersonen und Eltern sorgte. Kinder mögen aber Milch mit Geschmack lieber als naturbelassene, wie in Wohlen AG von einer Landfrau gegenüber der BauernZeitung gesagt wurde.

In 30 Jahren wäre Schluss

Seit Jahren ist der Konsummilchverbrauch rückgängig. Tranken die Schweizerinnen und Schweizer im Jahr 2000
85 kg Milch pro Kopf, waren es 2017 gerade noch 52 kg Milch. Das ist jährlich im Schnitt ein Rückgang von 1,8 kg Milch pro Kopf. Wenn es in diesem Tempo weitergeht, wäre in ungefähr 30 Jahren Schluss mit Milch trinken. Damit das nicht eintrifft, wird Werbung betrieben. Allein aus der Absatzförderung des Bunds werden dafür ein paar Mio. Fr. pro Jahr vergeben. Bedenkt man, dass vonseiten der Geförderten noch einmal derselbe Betrag beigesteuert werden muss, bedeutet das: Im Jahr 2000 wurden zirka 12,6 Mio. Fr. eingesetzt, im Jahr 2018 gar 17 Mio. Fr. Es müssen folglich immer mehr Mittel verwendet werden, dass überhaupt noch Milch verbraucht wird. 

Absatzförderung für Milch macht Sinn

Wird da nicht sehr viel Geld in den Vermarktungsorganisationen verheizt und lohnt sich ein solcher Aufwand überhaupt? Allen Zweifeln zum Trotz: Ja. Absatzsförderungsgelder für Milchprodukte braucht es. Denn die Schweiz ist ein Grasland, prädestiniert dazu, Milch zu produzieren. Und diese soll getrunken und verspeist werden. Eine Tatsache ist aber auch: Vermarktungsorganisationen brauchen viel Geld; nicht nur bei der Milch, ganz allgemein. Geld, das zum Teil auch die Bauern bezahlen.

Andere Zeiten – andere Werbung?

Alles ändert sich, nichts ist mehr wie vor zehn Jahren. Oder wer hätte gedacht, dass wir im Jahr 2019 auf einem Rekordtief bei den Milchkühen angelangt sein werden, die produzierte Milchmenge hingegen weitgehend stabil bleibt? Und wer hätte gedacht, dass der Verlust des Smartphones fast schlimmer ist, als wenn die eigene Frau auszieht? Wäre es da nicht an der Zeit, einen anderen Weg in der Werbung von landwirtschaftlichen Produkten zu gehen?

Ein Lohn für bäuerliche Botschafter

Man könnte mit einen Teil des Geldes die Standeinsätze der Bäuerinnen und Bauern mit Expertinnen- und Botschafter-Honoraren abgelten. Denn wer kann authentischer und kompetenter für ihre Produkte einstehen, als die Bäuerinnen und Bauern persönlich? Nur sie können die Lücke zwischen Wahrnehmung und Wirklichkeit bei den Konsumenten schliessen, sagte Trendforscherin Dr. Mirjam Hauser kürzlich in einem Interview mit dem Landwirtschaftlichen Informationsdienst. Die eigentlichen Helden seien die Bäuerinnen und Bauern selber.

Ein Beitrag pro Betrieb

Ein weiterer Teil der Absatzförderungsgelder aller Branchen könnte in einem Beitrag pro Betrieb eingesetzt werden.
Für Vermarktungsleistungen, die über den reinen En-Gros-Verkauf hinaus gehen. Dabei werden die Gelder anteilmässig nach direktvermarkteten Produkten an die Betriebe verteilt. Ein Teil des Werbegeldes kommt so dem Produzenten direkt zugute. Produktion und Absatz sind wichtig, ein anständiges landwirtschaftliches Einkommen sowieso.

Werbematerial wird überflüssig

Kommen wir zum Schluss noch einmal zum Tag der Pausenmilch zurück. Wenn Bäuerinnen und Bauern direkt hinstehen, ihre eigenen Erfahrungen und echten Geschichten rund um die Produkte weitergeben, braucht es kein weiteres Werbematerial. Vielleicht wäre dieses Vorgehen immer noch nicht bei den Veganern toleriert, bei den Lehrpersonen hätte man eventuell bessere Chancen.

 

Gefällt Ihnen was Sie lesen?

Warum nicht mal drei Monate «schnuppern»? Für nur CHF 20.- erhalten Sie 12 Print-Ausgaben (Regionen nach Wahl) plus Online-Zugriff. Gleich hier bestellen und bestens informiert bleiben!