Wie kann man nur einen Anbindestall bauen? Das ist ein Satz, der im Zusammenhang mit neuen Anbindeställen immer mal wieder zu hören, oder zu lesen ist. Kaum ein anderer Artikel der BauernZeitung vermag im Internet derart viele Reaktionen auszulösen, wie der Bau eines solchen Stallsystems. Gerne fliegen dann zuweilen auch die Fetzen zwischen Befürwortern und Gegnern. Es ist ein Thema, das die Geister scheidet und das möglichst lautstark. Wer einen Anbindestall baut, verzichtet bewusst auf Bundesbeiträge für Besonders Tierfreundliche Stallhaltungssysteme (BTS). Das sind 90 Franken pro Tier und Jahr. Wie es das Wort bereits sagt, geht der Bund davon aus, dass das Tierwohl in einem Laufstall höher ist, als in einem Anbindestall. Das wird mit diesem Programm honoriert. Wer einen Anbindestall baut, sieht also in diesen 90 Franken nicht genug Anreiz, einen Laufstall zu bauen. Das vermag Kopfschütteln auszulösen. Man muss aber bedenken, dass es auch Laufstallbetriebe gibt, die zwar diese BTS-Beiträge holen, aber bewusst auf die RAUS-Beiträge verzichten und den Tieren keinen regelmässigen Auslauf im Freien gewähren. Und das honoriert der Bund gar mit 190 Franken pro Tier und Jahr. Dann erscheint ihm das wohl wichtiger und er beurteilt das Tierwohl beim RAUS als höher als beim Tierwohlprogramm BTS. Es kann aber auch sein, dass er den höheren Aufwand anerkennt, den eine Tierhalterin hat. Diese muss die Kühe aktiv rauslassen und kann ihnen nicht einfach passiv Zugang zu einem betonierten Auslauf gewähren, in dem sie mehrheitlich nur rumstehen.

Was ist jetzt wichtiger? Stets frei rumlaufen zu können oder angebunden zu sein und regelmässig auf die Weide zu kommen? Wollten wir eine hundertprozentige Antwort auf diese Frage haben, müssten wir nicht das Bundesamt für Landwirtschaft, sondern die Kühe befragen.

Simona wollte nicht im Laufstall leben

Wer Anbindestallkühe in Laufställe verkauft oder umgekehrt, der kriegt vielleicht etwas von diesen Antworten mit, die Kühe geben würden, wenn sie könnten. Wir haben jüngst auch einen Versuch gewagt. Wir kauften eine junge Kuh aus einem Anbindestall und haben versucht, sie in unsere Laufstallherde zu integrieren. Es hat nicht geklappt. Und nicht, weil unsere Kühe diese Kuh nicht akzeptierten, sondern weil diese Kuh mit dem System überfordert war. Sie wusste nicht, wie sie sich verhalten muss. Nach mehreren Tagen und vielen investierten Stunden gaben wir konsterniert auf. Simona wollte nicht bei uns leben. Wir kamen zum Schluss, dass wir sie mit einem Leben im Laufstall in ihrer Anpassungsfähigkeit überfordern würden. Und das wäre ungerecht. Sie hat das Glück, dass sie wieder in einen Anbindestall zügeln durfte.

Die anderen Kühe versuchten, Simona zu intergrieren

Natürlich gibt es Kühe, die diese Umstellung packen. Natürlich kann es sein, dass die Kuh Simona es geschafft hätte, sich in den Sommermonaten langsam an das neue Leben konstant in der Herde zu gewöhnen. Dieses Wissen ändert nichts daran, dass wir sie jetzt, in den Wintermonaten, wo die Kühe ganz selten auf eine Weide kommen und sich oft im Laufhof bewegen, kaum oder nicht integrieren können und sie dadurch leidet. Was mir am allermeisten Eindruck gemacht hat, war der Versuch einzelner Kühe, sie zu integrieren. So stand unsere ältere Sarah während Stunden neben ihr und hat immer wieder versucht, Simona zu beschnuppern. Doch Simona wollte das nicht. Sie kannte es nicht, dass andere und vor allem fremde Tiere sie jederzeit und überall beschnuppern können. Unsere Kühe lernen das, wenn sie als Rind vom Aufzuchtstall in die Kuhherde wechseln und meistens ist da eine Freundin, die vor ihnen schon zu den Grossen ging und ihr schliessen sie sich dann an. Rindvieh-Freundschaften halten vom Kälberstall bis zum letzten Gang.

Es muss Tier und Mensch wohl sein

Wir dürfen die Anpassungsfähigkeit der Tiere nicht überfordern, aber unsere eigene eben auch nicht. Wir, wie auch unsere Rindviecher, sind Gewohnheitstiere. Die einen, wie Simona, etwas mehr, die anderen etwas weniger. Wer einen neuen Anbindestall baut, überfordert seine Anpassungsfähigkeit nicht. Und die seiner bisherigen Herde übrigens auch nicht. Es ist einfacher, einen Laufstall zu bauen. Da gibt es weniger Hürden zu überwinden. Wer sich bewusst für einen neuen Anbindestall entscheidet, wäscht nicht lieber Kuhschwänze, als jene, die Laufställe bauen. Das ist nicht der Grund. Entscheidend ist, dass er oder sie sich wohlfühlen in diesem System. Und mit ihnen ihre Kühe, die das System kennen. Kühe, die nicht wohl sind, werden im Anbindestall nicht lange leben. Genau wie Simona, die einfach nicht im Laufstall sein wollte. Das brauchen wir nicht zu kommentieren, sondern zu akzeptieren.