Dennoch beschleicht einen dabei ein ungutes Gefühl. Als Journalist muss oder darf man viele Anlässe besuchen: Medienkonferenzen, Informationstagungen, Versammlungen. Oft ist das spannend und anregend. Immer öfter ist es aber mit einem faden Beigeschmack verbunden: Es fühlt sich an, als würde hinter dem Rücken der Direktbetroffenen etwas ausgeheckt, was diese dann auszubaden haben. Vermutlich in gutem Glauben, dass diese Visionen letztendlich alle, also auch die Landwirte, weiterbringen.

Wer sind sie genau, diese Strategen, welche von neuen Internetplattformen, Smart Farming und modernen Hightech- Hilfsmitteln sprechen? Sicher ist nur, was sie nicht sind: Aktive Landwirte. Spricht man nämlich mit solchen, so sind die Themen ganz andere: Der grosse administrative Aufwand. Die Angst vor Kontrollen, weil vielleicht irgendwo ein kleines Kreuzchen vergessen wurde. Die vermehrt auftretende finanzielle Misere. Die enormen Anforderungen an die Produktequalität, die zunehmend extremen Witterungsereignisse oder ganz generell die Gesundheit der Kulturen, Tiere und natürlich der Menschen auf dem Betrieb.

Zwar schadet es einer stark traditionell geprägten Branche wie der Landwirtschaft nicht, wenn Aussenstehende sich mit neuen Ideen in die Debatte einbringen. Jedoch nützen die besten Vorschläge nichts, wenn die Basis in keiner Art und Weise darauf gewartet hat und nicht willens ist, diese umzusetzen.

In Zeiten von Aktionsplan Pflanzenschutz, Erosionsvollzug und Öko-Qualitätsverordnung muss man sich fragen, wer denn da am Ende noch bereit sein soll, all diese Ideen umzusetzen. Die Anforderungen an die Landwirte werden komplexer, ihr Verdienst bleibt in Berg wie Tal deutlich unter dem Vergleichseinkommen. Die Strategen, welche die neuen Konzepte ausarbeiten, verfügen in aller Regel über einen deutlich besseren Lohn als der Landwirt, welcher sich letztendlich die Hände schmutzig macht.

Dass Änderungen auf Widerstand stossen, ist nicht nur in der Landwirtschaft der Fall. Schliesslich ist es mühsam, sich umzugewöhnen oder gar belehren zu lassen. Unbestritten ist: Die Landwirtschaft braucht wie jede Branche Änderungen und Innovationen. Damit diese aber gelingen ist es wichtig, dass die Basis, also die Landwirte, vermehrt in diese Prozesse eingebunden werden. Es gibt viele Bauern, welche sehr gute Ideen haben und wissen, wovon sie sprechen. Sie sind aber mit der Arbeit auf ihrem Betrieb absorbiert, oft sieben Tage pro Woche. Wie diese Landwirte ticken, wissen die Strategen kaum, es kommt nicht zum Kontakt und wenn, dann steht er oft unter keinem guten Stern, weil man nicht die gleiche Sprache spricht. Die Distanz zwischen dem Beamten mit geregelten Arbeitszeiten, Ferienansprüchen und 13. Monatslohn und dem selbstständigen landwirtschaftlichen Unternehmer ist zu gross. Die Folge: Man redet aneinander vorbei. Unter Landwirten wird das Bundesamt für Landwirtschaft daher gerne auch als «Bundesamt gegen Landwirtschaft» betitelt.

Es ist gefährlich, wenn die Kluft zwischen den Strategen in Verbänden, Politik und Forschung weiter aufreisst. So nehmen wir in Kauf, dass viel Geld aus dem Fenster geworfen wird für die Forschung an Dingen, die sich in der Praxis mangels Bedürfnis nie durchsetzen werden. Der Kontakt zwischen Landwirt und Verband, Forschung oder Politik sollte intensiviert werden. So würden alle vom selben sprechen und könnten gemeinsam nach Lösungen suchen.

Ein Positivbeispiel hierbei ist das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL): Dessen Zeitschrift «bioaktuell» wird von den meisten Biobäuerinnen und Biobauern gerne gelesen. Auch ist der FiBL-Forschung ein Beratungsdienst angegliedert, welcher das Wissen direkt zur Praxis transferiert. Gemäss einer Umfrage interessieren sich die Leser hauptsächlich für neueste Ergebnisse aus der Forschung.

Bei Agroscope hingegen wird über die «Agrarforschung Schweiz» kommuniziert. Sie kennen diese Zeitschrift nicht? Damit sind sie in guter Gesellschaft. Nur gerade 1700 Exemplare beträgt die Auflage, während bioaktuell doch immerhin rund 7000 Hefte verschickt – für ein Zielpublikum, das deutlich kleiner ist als jenes von Agroscope.

Kritisieren ist leicht, besser machen schwierig. Auch wir als Agrarmedien gehören in dieser Diskussion in die Pflicht genommen: Wir müssen wissen, was unsere Leser wissen wollen – und verstehen, worüber wir schreiben. Nur so sind wir glaubwürdig und lesenswert.

Sebastian Hagenbuch