Seit meine Tochter fünf Monate alt ist, hüten sie meine Kleine (jetzt 16 Monate) jede Woche zwei volle Tage von 7 bis 17.15 Uhr. Das ermöglicht es mir, – dank eines zusätzlichen Tags bei der Tagesmutter – nach wie vor 60 Prozent 
zu arbeiten. Etwas, das mir immer wichtig war.


Ich wollte nie nur Mutter und Hausfrau sein, dafür bin ich nicht gemacht. Mir ist die Herausforderung im Beruf wichtig, einen «guten Job» zu machen, und hoffentlich lesenswerte Artikel zu schreiben. Das macht neben dem Gefühl eine gute Mutter zu sein, einen wesentlichen Teil meines Selbstwertgefühls aus. Mir ist es wichtig, mein eigenes Geld zu verdienen, nicht nur fürs Alter, sondern auch um mir gewisse Dinge leisten zu können. Meine Vorliebe für schöne Schuhe oder Auswärtsessen mit meinen Freundinnen soll mir nicht mein Partner finanzieren müssen.

Aber hätten wir unsere Tochter in die Kindertagesstätte (Kita) geben müssen, hätte ich es mir wahrscheinlich anders überlegt und wäre mehr zu Hause geblieben. Nicht nur, weil diese Art der Kinderbetreuung ziemlich ins Geld geht, 
sondern auch, weil mir eine 1:1-Betreuung meiner Tochter wichtig ist. Nichts gegen eine Kita, aber dort wäre sie nur ein Kind unter vielen. Bei meinen Eltern kann ich jederzeit anrufen, ohne dass sie sich belästigt fühlen. Ich erfahre genau, was mein Kind den ganzen Tag erlebt hat – und so ist es ein bisschen weniger schwierig, es wegzugeben. Ausserdem ist da dieses absolute Vertrauen in meine Eltern.


Mir ist bewusst, dass ich viel Glück habe. Nicht nur, dass meine Eltern überhaupt zum Hüten bereit sind. Sondern auch, dass es für sie überhaupt möglich ist. Viele Grosseltern – gerade auch Grossmütter – stecken noch mitten im Arbeitsleben. Bei mir ist das etwas anders, Bauernhof-Hintergrund sei dank. Mein Vater ist auf dem Papier pensioniert, unterstützt meinen Bruder aber noch voll auf dem Gemüsebaubetrieb. Meine Mutter hat noch einige Jahre bis zur AHV und arbeitet, wenn sie nicht gerade meine Tochter hütet, genauso viel auf dem Betrieb mit.

Das Ganze hat noch einen weiteren Vorteil: Ich fand es toll, auf einem Bauernhof aufzuwachsen. Unsere Tochter – von Haus aus ein Stadtkind – bekommt so alle Vorzüge des Landlebens mit. Viel frische Luft, Pferde, Hunde, Katzen und Hühner um sich herum, spannende Erfahrungen wie Traktor fahren, Gartenarbeit, Waldspaziergänge. Sie wird ganz selbstverständlich, aber absolut kindgerecht in den Alltag auf dem Betrieb integriert. Ich bin sicher, dass sie diese unbezahlbaren Erinnerungen prägen werden – und zwar positiv.


Beinahe unbezahlbar ist auch, was an Freiwilligenarbeit in der Schweiz geleistet wird.  
Die aktuellsten Zahlen dazu stammen aus dem Jahr 2016. Die gesamte, in diesem Jahr geleistete unbezahlte Arbeit wurde auf einen Geldwert von 408 Milliarden Franken geschätzt. Die Hausarbeit machte dabei den grössten Anteil mit 293 Milliarden Franken oder rund 72 Prozent des Gesamtwertes  aus. Die Betreuungsaufgaben wurden auf 81 Milliarden oder 20 Prozent des Gesamtwertes geschätzt, die institutionalisierte und informelle Freiwilligenarbeit zusammen auf 34 Milliarden Franken oder 8 Prozent des Gesamtwertes. Bei den 65- bis 74-Jährigen betrug die zeitliche Gesamt
belastung für Frauen  31,5 Stunden pro Woche 
und für Männer 27,2. Diese Altersgruppe leistete zudem den höchsten Zeitaufwand für Freiwilligenarbeit.


Für unbezahlte bzw. freiwillige Arbeit in der Schweizer Landwirtschaft scheint es kein Zahlenmaterial zu geben. Ich bin aber sicher, die Summe würde erheblich ins Gewicht fallen, müsste sie bezahlt werden. Auf wie vielen Höfen würde es   kaum ohne Eltern bzw. Schwiegereltern gehen? Die ältere Generation ist unbezahlbar – nicht nur als Grosseltern, auch im Stall, auf dem Traktor und dem Feld.  Natürlich kann es dabei auch einmal knirschen und krachen, wie überall, wo Menschen nahe zusammen leben und arbeiten. Patentrezepte gibt 
es dabei wohl keine, ausser reden, nicht alles zu ernst nehmen und vielleicht auch mal den Fünfer gerade sein zu lassen.

Auf jeden Fall haben Eltern und Grosseltern immer mal wieder ein grosses «Merci» verdient. Selbstverständlich ist es nicht, was sie alles gratis leisten. Sie könnten sich 
mit gutem Gewissen zurücklehnen und ihren Ruhestand geniessen. Ich bin froh, dass 
es meinen Eltern dabei wohl recht schnell langweilig 
werden würde.

Jeanne Woodtli

Diese Analyse ist aus der Printausgabe der BauernZeitung. Jetzt Kennenlernen!