Die vermeintliche Ruhe nach dem Sturm war schon durch die überraschende Ankündigung des Abgangs von Michael Gysi als Chef unterbrochen worden. Dieser musste seit dem Amtsantritt in Sandwichposition die Befehle von oben umsetzen und unter anderem die komplette Teppichetage neu besetzten. Angesichts der neusten Ankündigungen fällt es noch schwerer zu glauben als bisher, dass Gysi nur fünf Jahre nach Amtsantritt aus reiner Freude an der Herausforderung eine Kaderstelle in der Pflegebranche übernimmt. 

Nun folgt mit Eva Reinhard eine neue Chefin. Sie kommt vom BLW und wird die von diesem mit angeordneten Entscheide wohl loyal umsetzen. Der Einstieg und die Umsetzung der Ziele dürften für die Newcomerin aber knüppelhart werden. Mitarbeiter aus allen Ecken des Landes ins Freiburger Hinterland nach Posieux zu verpflanzen, ist kein einfaches Unterfangen. Man kann davon ausgehen, dass Agroscope zahlreiche kluge Leute und damit viel von ihren unbestrittenen Qualitäten verlieren wird. Und Ersatz für diese  Spezialisten gibt es nicht wie Sand am Meer. Nicht zu reden von der Stimmung im Unternehmen, die auf der Achterbahn der letzten Jahre bereits arg gelitten hat.

Die grosse  Frage ist, wer den Bundesrat zu diesem Schritt angestiftet hat. Der Verdacht liegt nahe, dass Johann Schneider-Ammanns neoliberale Einflüsterer erneut – wie schon beim Verfassen der «Gesamtschau» – zu viel Einfluss erhalten haben. Die sogenannte Denkfabrik Avenir Suisse hatte kürzlich verlauten lassen, dass man die Forschungsanstalt getrost aufheben könnte. Grundlagenforschung solle man in die ETH integrieren, HAFL und ZHAW könnten das Praktische übernehmen und das Rentable die Privatwirtschaft. 

Die Zerschlagung von Agroscope mit anschliessendem Rosinenpicken käme den Staatsabbauern von Avenir Suisse natürlich zupass, den Interessen der Landwirtschaft würde ein solcher Schritt aber nur schaden. Wie Nationalrätin Maya Graf in ihrer Interpellation zu den Bundesratsplänen richtig schreibt, ist der Schweizer Markt zu klein, um Anreize für privatwirtschaftliche Forschungslösungen bieten zu können. Es brauche für drängende Probleme wie die Kirschessigfliege mehr Forschung vor Ort für die agronomischen und umweltrelevanten Probleme und ganz sicher keinen Kahlschlag bei der öffentlichen Agrarforschung, so Graf. 

Vorläufig hat der Bundesrat von einem totalen Kahlschlag abgesehen, aber die nun angeordneten Schritte 
kommen einer Zerschlagung in Raten gleich. Die geplanten Massnahmen sind erstens verspätet: Vor fünf Jahren wäre eine derart tiefe Bodenbearbeitung auf dem Bundes-Forschungsacker noch nachvollziehbar gewesen. Die Institution Agroscope hatte über die Jahre viel Speck angesetzt. Die Standortleiter gebärdeten sich oft wie Regionalfürsten, wobei ihnen die Geldgeber in Bern und die Landwirtschaft auch selten 
je das Gefühl gaben, sich für die Arbeit der eidgenössischen Forschungsanstalten zu interessieren. 

Diese Struktur hat man aber in den letzten Jahren bereits umgepflügt, die Führungsstruktur entschlackt, die Kompetenzzentren vergrössert und die thematische Zusammenarbeit auch über die eigenen vier Wände hinaus gefördert. Von dem her ist ein weiter Eingriff im Moment nicht nachvollziehbar, beziehungsweise ein indirektes Schuldeingeständnis, dass man die vorherigen Schritte falsch aufgegleist hatte.

Zweitens sind die Zentralisierung und der massive Sparschritt Ausdruck einer Geringschätzung der 
Forschungstätigkeit von Agroscope. Diese wäre nötiger denn je. Die Herausforderungen sind zahlreich und neue Erkenntnisse zu brisanten Themen wie Pflanzenschutz, Digitalisierung und Tiermedizin essenziell. Dies haben auch die Branchenvertreter erkannt, die nun bereits über ein halbes Dutzend parlamentarische Vorstösse lanciert haben. Allerdings haben sie sich diese Geringschätzung der Forschung auch ein Stück weit selber zuzuschreiben. Schnell war man jeweils mit Pauschalvorwürfen zur Hand, wie weltfremd die Forscher seien, wenn ein Forschungsprojekt oder seine Ergebnisse die eigenen Erwartungen nicht befriedigten. Die Freiheit der Forschung ist jedoch eine ihrer zentralen Existenzgrundlagen. Das Resultat der regelmässigen Kritik ist leider, dass viele konventionell produzierende Bauern den Ergebnissen von Agroscope weitgehend gleichgültig gegenüberstehen. 

Allerdings muss auch Agroscope hier einen Teil der Schuld auf sich nehmen. Das zeigt ein Blick in den Biosektor, wo die Bauern schon fast sehnsüchtig auf die Resultate des Forschungsinstituts für biologischen Landbau warten. Grund dafür ist, dass die Bioforscher  seit je und thematisch breit eng mit den Bauern zusammenarbeiten. Das könnte man von Agroscope nicht vorbehaltlos behaupten, Fortschritte sind aber spürbar.

Jetzt kann man nur hoffen, dass das drastische Massnahmenpaket allen hilft aufzuwachen. Agroscope muss noch näher an die Scholle und die Bauern müssen sich bewusst werden, welche Bedeutung die Agroscope-Resultate für sie haben, und zwar nicht erst dann, wenn das Messer 
angesetzt wird.

Adrian Krebs

Diesen Bericht finden Sie in der BauernZeitung vom 16. März  Lernen Sie  die BauernZeitung jetzt 4 Wochen kostenlos kennen und gewinnen Sie einen Reisegutschein im Wert von 3000 CHF.