Das ist nicht unüblich bei Volksbegehren, aber für die Initianten dürfte das Ergebnis nichtsdestotrotz eine herbe Enttäuschung darstellen, hatten doch einige ihrer Vertreter vor dem Wochenende noch auf ein Volksmehr, oder zumindest auf eine knappe Niederlage gehofft.


Nun haben die erst spät in den Abstimmungskampf eingestiegenen Gegner mit dem Rückenwind von grossen Kriegskassen der Wirtschaftslobby einen Kantersieg errungen. Dabei profitierten sie auch von einem spärlichen Aufmarsch an der Urne. Offenbar ist das Ernährungsthema doch nicht von derart brennendem Interesse, wie man manchmal meinen könnte, wenn man die (sozialen) Medien verfolgt.

Die Abfuhr für die beiden Initiativen ist kein Unglück. Der vor Jahresfrist wuchtig gutgeheissene Ernährungssicherheits-Artikel enthält bereits eine Nachhaltigkeits-Passage für Importe und der Bundesrat will diese nun nach einigem Böckeln doch noch in die Politik integrieren, zumindest wenn man dem kürzlich publizierten
Zusatzbericht zur Gesamtschau Glauben schenkt.


Natürlich hätte es der Schweiz gut angestanden, als kaufkräftiges und stark importabhängiges Land ein kräftiges Nachhaltigkeits-Signal auszusenden. Die beiden Volksbegehren stiessen aber auf Widerstand, weil sie zu viel wollten. Vor allem die Ernährungs
souveränitäts-Initiative war ein überladenes Fuder. Sie erinnerte mit ihrem Forderungskatalog an ein sozialromantisches Wunschkonzert.


Die Fair-Food-Initiative war um einiges pragmatischer. Allerdings gelang es den Grünen und ihren Verbündeten nicht, die Killer-Argumente «drohende steigende Preise» und «überbordender Kontrollwahn» zu entkräften. Das haben sie sich teilweise auch selber zuzuschreiben, indem bis zum Schluss diffus blieb, was sie eigentlich wollten in Sachen Import-Standards: Schweizer Niveau oder ein bisschen tiefer, und wenn ja, wie tief? Dass sie während des Abstimmungskampfs dann noch versuchten, etwas zurückzurudern, machte die Sache für das ohnehin schon leicht verwirrte Stimmvolk auch nicht einfacher.

Vermutlich hätte «Fair-Food» etwas grössere Chancen gehabt, wenn die Initiative allein zur Abstimmung gekommen wäre. Mit einem aus seiner Sicht cleveren Winkelzug haben der Bundesrat und namentlich der Landwirtschaftsminister die beiden Initiativen auf denselben Termin gelegt. So war es deutlich einfacher für die Gegner, die beiden Vorlagen pauschal als radikal zu brandmarken und schliesslich als Paket bachab zu schicken.

Nach der Abstimmung bleiben mindestens drei wichtige Erkenntnisse: Erstens will eine kräftige Mehrheit des Souveräns keine weitere Regulierung. Die Stimmbürger sind der weiteren staatlichen Regulierung des Ernährungs- und Landwirtschaftssektors überdrüssig, man setzt dabei auf die Impulse des Marktes. Die privaten Nachhaltigkeits-Programme sind teilweise längst und gut etabliert, man denke an die diversen Labels für Fair Trade und Bio. Aktiv geworden sind auch die Grossverteiler, die beginnen, im Ausland Fleisch nach Schweizer Standards zu produzieren. Falsch wäre es hingegen, das Verdikt vom Sonntag als Freipass für Freihandel zu interpretieren, wie dies hie und da aus ziemlich unerfindlichen Gründen geschah.

Die zweite wichtige Erkenntnis ist, dass man auch die Pflanzenschutz-Initiativen am gleichen Wochenende zur Abstimmung bringen sollte. Diese sind – anders als die am Wochenende beurteilten – tatsächlich radikal und liessen sich quasi im Multipack erfolgversprechender bekämpfen. Das wäre auch im Interesse möglichst tiefer Kosten zu begrüssen.

Drittens und letztens zeigt das vergangene Abstimmungswochenende, dass man in Sachen Ernährungssicherheit richtig vorgegangen ist. Der  seinerzeitige Ersatz der Initiative durch den branchenintern teilweise stark umstrittenen Gegenvorschlag war der einzig richtige Weg. Einmal mehr hat sich gezeigt, wie schwer es (Landwirtschafts-)Initiativen vor dem Volk haben. Auch das Vorhaben des  Bauernverbandes wäre stark absturzgefährdet gewesen. Stattdessen resultierte im September 2017 ein triumphaler Sieg. Dieser Spatz in der Hand hat am Wochenende noch einmal an Wert gewonnen.

Adrian Krebs