"Am meisten Mühe hatte ich mit mir selber", sagte Miriam Stauffacher. "Meine grösste Hürde war mein eigener Kopf." Stauffacher ist Landwirtin, führt mit ihren Eltern in Generationengemeinschaft einen Bauernbetrieb in Nesslau SG und ist seit zwei Monaten mit ihrer Frau verheiratet. Miriam Stauffacher musste vor 12 Jahren eine Grenze sprengen, als sie ihrer Familie erzählte, dass sie Frauen liebt. In Nesslau gab es bis dahin keine gleichgeschlechtlichen Paare. Aber die junge Frau wusste, wenn sie sich nicht outete, würde sie nicht glücklich werden. Die Reaktionen seien meist positiv gewesen. Die negativen hört sie nicht und interessieren sie deshalb auch nicht. "Bei unserer Hochzeit kam sogar das Jodelchörli und sang für uns.»

Kein richtiger Bauer

Wer kennt sie nicht, Grenzen, die einschränken, die blockieren und einem das Leben schwer machen? Sie scheinen unüberwindlich, doch nach näherem Hinschauen oder erneutem Nachdenken findet man Möglichkeiten, die Wand zu umgehen oder zu durchbrechen. Am Tag der Bäuerin an der Olma erzählten Frauen und Männer von ihren Grenzen und den Erfahrungen damit.

 

Sie setzen Grenzen

 

Grenzerfahrungen der anderen Art machen Schwester Veronika und Sefika Garibovic in ihrer täglichen Arbeit.

Im Gefängnis Löwen zähmen

Die Geweihte Jungfrau Veronika wirkt als Gefängnis-Seelsorgerin begibt sie sich jeden Tag hinter Mauern und steigt hinab in menschliche Abgründe. Im Umgang mit den Schwerverbrechern sieht sie sich als Löwendomteurin. "Ich begegne allen auf Augenhöhe, doch manchmal gibt es Momente, in denen ich klarstellenmuss, wer die Spielregeln festsetzt." Sie hat von den Männern deshalb den Spitznamen "Schwester sweet and sour" zu deutsch Schwester Süss und Sauer erhalten.

24 Stunden Einsatz bereit

"Es gibt keine schlechten Kinder", ist Sefika Garibovic, Expertin für Nacherziehung überzeugt. "Meine Erfahrungen zeigen, dass die Probleme in der mangelnden Kommunikation zwischen Eltern und Kind liegen." Kinder und Jugendliche brauchten Respektspersonen und Vorbilder, um Orientierung und ihren Platz in der Gesellschaft finden zu können. Eltern könnten dies sein, indem sie liebevoll Grenzen setzten.

 

"Als ich als vor 33 Jahren von Milchkühen auf Mutterkühe umstellte, war ich auf einen Schlag kein richtiger Bauer mehr", erzählt Franz Burri, erfolgreicher Mutterkuhhalter aus Dagmersellen LU. Früh musste der Bauer den Betrieb übernehmen, da sein Vater starb, als er siebenjährig war. "Und als wir 1990 anfingen, das Fleisch selber zu vermarkten, sagte der Metzger 'das macht man nicht’." Burri begann mit acht Hektaren Land und 15 Tieren. Heute vereinigt sein Betrieb das Land von 11 Betrieben und über 100 Tiere grasen um den Hof. "Es kann auch ein Vorteil sein, wenn man als junge Person einen Betrieb alleine führen kann", meint Franz Burri rückblickend. Wichtig sei, dass man etwas unbedingt wolle und das mit Begeisterung. So könne man Grenzen überwinden. Manchmal müsse man aber den richtigen Zeitpunkt abwarten, so Burris Rat.

Putzfrau mit Matur

"Es war schwierig, Arbeit zu finden. Sogar als Putzfrau brauchte man Matur." So umschreibt Anna Schneider die Situation in ihrem Heimatland Polen vor 19 Jahren. Als junge Frau musste Schneider Landes- und Sprachgrenzen überwinden und kam in die Schweiz, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. "Ich wollte nur kurz bleiben." Unterdessen lebt Anna Schneider seit 16 Jahren in Weisstannen SG, einem Dorf mit 213 Einwohnern und ist Bäuerin und Mutter von drei Kindern. Die Leute in der Schweiz seien offen. Aber man müsse auf die Leute zugehen und wollen, umschreibt Anna Schneider ihren Integrationsprozess.

In der Diskussion mit dem Publikum am Schluss der Veranstaltung kam der schwierige Umgang mit der Trinkwasserinitiative oder mit Kritik zur Tierhaltung zur Sprache. Manchmal kämen auch da Bäuerinnen und Bauern an ihre Grenzen. Eine Bäuerin erzählte, dass sie häufig vom Traktor steige und sich Zeit für einen Schwatz mit Passanten nehme. Der eigene Hof liege neben einem Naturschutzgebiet, da brauche es viel Erklärungsbedarf. Eine andere Bäuerin gab den Tipp, dass man den Konsumenten auf charmante Weise den Spiegel hinhalten solle. Franz Burri lieferte gleich ein Beispiel aus der Praxis dazu: Ein Passant beklagte sich bei ihm über den Lärm des Heubläsers. Da fragte der Bauer zurück, ob dieser denn den Rasen seines Einfamilienhauses mit der Sense mähe.