Herr Gysi, wieso braucht Agroscope eine neue Ausrichtung?


Wir sind überzeugt davon, dass wir mit der Zusammenführung der drei Forschungsanstalten unter ein Dach die Zusammenarbeit innerhalb von Agroscope und damit die interdisziplinäre Forschung stärken können. Die Herausforderungen, denen die Landwirtschaft heute gegenüber steht, bedingen interdisziplinäre Lösungen. Zudem haben wir die strategische Führung von Agroscope gestärkt, indem wir einen Agroscope-Rat geschaffen haben, der die strategische Verantwortung trägt. Operativ obliegt die Führung der Forschung bei der Geschäftsleitung Agroscope. Damit sind die Grundsätze der Corporate Governance berücksichtigt. Weiter haben wir einheitliche Prozesse über ganz Agroscope eingeführt, beispielsweise in den Bereichen Human Resources, Finanzen, IT oder Kommunikation. Ein Beispiel dafür ist ein Personalreglement für alle Standorte. Durch die Organisation unter einem Dach können wir die Marke Agroscope besser nach aussen verkaufen.

Es geht also auch darum, dass die Konsumenten Agroscope besser wahrnehmen?

Es ist eindeutig so, dass Konsumenten, aber auch Produzenten, die Marke Agroscope noch besser wahrnehmen können. Aber der wichtigste Punkt ist, dass wir durch die Zusammenarbeit in den Bereichen Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Nachhaltigkeit den Konsumenten und Produzenten effektivere Leistungen bieten können. Das scheint mir entscheidend.

Die Agroscope-Forschung kann den Landwirten mit Ergebnissen oder neuen Züchtungen direkt helfen. Was bringt sie den Konsumenten?

Ein wichtiger Punkt für die Konsumenten, den wir in Zukunft stärken, ist der Bereich Lebensmittel und Lebensmittelverarbeitung. Das ist deshalb ein wichtiger Teil, weil die Frage der Lebensmittelsicherheit und -qualität an Bedeutung gewinnt. Ein weiteres für die Konsumenten entscheidendes Thema ist die Umwelt: Landwirtschaft hat darauf positive und negative Auswirkungen. Wir versuchen mit unserer Arbeit, die negativen Umweltwirkungen mit einer ressourcenschonenden Produktionsweise zu minimieren, ohne dass die Erträge zurückgehen. Davon profitieren auch der Konsument und die Konsumentin.

Wie wichtig ist die Zusammenarbeit mit den Landwirten?

Die Zusammenarbeit ist von entscheidender Bedeutung. Neues Wissen muss innert kürzester Zeit von unserer Forschung in die Praxis gelangen, um Wirkung zu entfalten. Dies erreichen wir, indem wir Forschungsresultate in allgemeinen landwirtschaftlichen Medien publizieren, Vorträge halten und in Publikumsmedien wie dem Fernsehen auftreten. Zudem ist die Zusammenarbeit mit den Landwirtinnen und Landwirten eine wichtige Grundlage für unsere Forschung.

Immer wieder ist die Rede von globaler Ernährungssicherheit. Gibt es einen Beitrag den Agroscope respektive die Schweiz dazu leisten kann?


Ich bin der Meinung, dass Agroscope zur Ernährungssicherheit einen Beitrag leisten kann und muss. Ein Beispiel dafür sind Züchtungsprogramme von Agroscope. Diese haben eine Steigerung der Kalorienproduktion und gleichzeitig eine Minimierung der Umweltwirkung zum Ziel. Dies leistet zunächst einen Beitrag an die nationale, aber natürlich auch an die globale Ernährungssicherheit.

Wie wichtig ist die internationale Zusammenarbeit?


Insbesondere auf europäischer Ebene besteht, zum Beispiel im Rahmen von EU-Projekten, eine intensive Zusammenarbeit. Auf der einen Seite nutzen wir Wissen, das auf internationaler Stufe erarbeitet wird, und machen es für die Schweizer Landwirtschaft und Konsumenten nutzbar. Auf der anderen Seite ist es auch wichtig, dass wir uns mit internationalen Massstäben in Bezug auf die Qualität messen lassen können. Unsere Forschung konzentriert sich zwar auf die Schweiz, der Austausch im internationalen Kontext gehört in der globalisierten Welt jedoch ganz klar zum Alltag der Forschenden.

Internationaler und immer grösser werden auch die Handelsströme. Macht dies die Arbeit schwieriger, wenn es etwa darum geht, neue Schädlinge vom Eintritt in die Schweiz abzuhalten?


Das ist so. Die invasiven Arten werden auch in Zukunft eine grosse Herausforderung darstellen. Und je mehr die Mobilität von Menschen und auch Material oder Lebensmitteln zunimmt, desto stärker betrifft uns auch die Problematik der invasiven Arten. Auch der Klimawandel hat in Bezug auf invasive Arten entscheidende Auswirkungen, weil aufgrund der Klimaänderung gewisse Arten nun auch in der Schweiz gedeihen können.

Wo liegt für die Agrarforschung die grösste Herausforderung der nächsten zehn bis zwanzig Jahre?


Wichtige Punkte in der Forschung sind die ökologische Intensivierung, das Klima, die Sicherung der natürlichen Ressourcen, Wettbewerbsfähigkeit der Land- und Ernährungswirtschaft, qualitativ hochwertige und sichere Lebensmittel sowie die Vitalität und Attraktivität ländlicher Räume. Diese sechs Themen bilden auch die thematischen Schwerpunkte von Agroscope.

Interview Jonas Ingold, LID