Weibliche Rothirsche gehen mit zunehmendem Alter Jägern immer mehr aus dem Weg. Mit neun bis zehn Jahren seien sie dann für ihre menschlichen Verfolger praktisch unerreichbar, berichtet eine Gruppe von Wissenschaftlern um den Biologen Henrik Thurfjell von der kanadischen University of Alberta im Fachmagazin «PLOS One».

Ältere Tiere lernen demnach verschiedene Methoden, um nicht erschossen zu werden. So bewegen sie sich weniger und senken so die Wahrscheinlichkeit einer gefährlichen Begegnung mit Jägern. Erfahrene Tiere verbergen sich zudem vor allem in der Nähe von Strassen verstärkt im Wald und in anderem unübersichtlichen Gelände - insbesondere in der Morgen- und Abenddämmerung.

An Jagdmethoden angepasst

Die Forscher fanden sogar Hinweise darauf, dass die Tiere auf die Bewaffnung der Jäger reagierten. Demnach suchten diese während der Jagdsaison für Bogenschützen eher zerklüftetes Terrain und Anhöhen auf. Dabei berücksichtigen die Hirsche nach Ansicht von Thurfjell und seinen Kollegen vermutlich, dass die mit einem Bogen ausgerüsteten Jäger sich sehr viel dichter an ihre Beutetiere heranpirschen müssen.

Für ihre Untersuchung versahen die Forscher 49 weibliche Rothirsche (Cervus elaphus) im Alter von 1 bis 18 Jahren in den kanadischen Provinzen Alberta und British Columbia mit Sendehalsbändern und beobachteten die Tiere über einen Zeitraum von zwei bis fünf Jahren. Die Tiere leben gesellig und können über 20 Jahre alt werden - alt genug um allerhand zu lernen. Und weil die Jäger es vor allem auf die männlichen Hirsche abgesehen haben, können die weiblichen Tiere von den tödlichen Fehlern der Artgenossen mit Geweih lernen.

Auch Wildschweine weichen aus

Für Tiere kann es lebenswichtig sein, sich neuen Verfolgern oder Jagdmethoden anzupassen. «Vor allem Wildschweine sind ausgesprochen schlau», bestätigt Torsten Reinwald, Sprecher des Deutschen Jagdverbandes (DJV). So hätten etwa mit Sendehalsbändern ausgerüstete Bachen, das sind weibliche Tiere, unmittelbar vor Jagdbeginn beim Klappern der ersten Autotür ihre Rotte aus der Gefahrenzone an die Reviergrenze geführt. «Nach Ende der Jagd kamen sie zurück», berichtet Reinwald.

«Das Wild kann die Gefahren - sei es Mensch oder Wolf - gut einschätzen», sagt Reinwald. «Viele Tierarten wie auch das Rotwild bleiben erstaunlich ruhig, wenn etwa Menschen auf Wegen im Wald unterwegs sind, reagieren aber sofort, wenn sich abseits der Wege Ungewohntes tut.»

Doch nicht immer kommt die Anpassung an neue Gefahren schnell genug. So haben Mufflons, eine vor rund hundert Jahren in Deutschland angesiedelte Wildschafart, bislang nicht gelernt, mit dem Wolf umzugehen. «Sie haben ihr altes Fluchtverhalten aus ihrer ursprünglichen bergigen Heimat Korsika und Sardinien behalten», sagte Reinwald. «So fliehen sie nur über kurze Strecken und wähnen sich dann in Sicherheit - ein meist fataler Fehler.»

sda