Bei diesem Anblick juckt es auch Erwachsene in den Fingern: In einem kleinen Nebengebäude stehen ein Tisch und eine Wanne, gefüllt mit feinem Quarzsand. Die 6-jährige Josephina streicht sacht mit den Händen hindurch. «Hier sollen die Eltern bewusst Zeit mit ihren Kindern verbringen», erklärt ihre Mutter Selina Frühauf die Idee des Sandspielraums. Erfahrungsgemäss beginnen Mädchen und Buben bald ganz vertieft, den Sand von einem Gefäss ins andere umzuschütten.

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Menschenkenntnis hilft

Der Sandspielraum ist keine neue Erfindung von Selina Frühauf, sondern ein Angebot, das sie selbst auswärts zu schätzen gelernt hat. «Hier in der Region gab es nichts Derartiges», schildert die zweifache Mutter. Ausserdem habe sie während der Babypause nach der Geburt ihrer zweiten Tochter eine neue Herausforderung gesucht, bei der das Baby dabei sein kann. Mit der neun Monate alten Mathilda kann Frühauf nur selten auf den Feldern helfen, dafür behält sie insbesondere im Gemüsebau den Überblick, welche Arbeiten anstehen und sie übernimmt die meisten administrative Arbeiten. Dazu gehören die Buchhaltung des Betriebs und die Korrespondenz mit den Abnehmern ihrer Produkte aus der Bio-Manufaktur Grünboden in Pfaffnau LU. Dabei kommt ihr die Menschenkenntnis zugute, die sie sich in ihrer Aus- und Weiterbildung angeeignet hat.

Ursprünglich hat Selina Frühauf Humanmedizin studiert und bildet sich derzeit zur Kinder- und Jugendpsychiaterin und -psychotherapeutin weiter. «Wie die menschliche Psyche und psychische Gesundheit funktioniert, interessiert mich sehr.» Das Wissen um eine gute Gesprächsführung ist auch für die Vermarktung hilfreich. Die BioManufaktur Grünboden stellt verschiedene Trockenprodukte her, von klassischen Dörrbohnen bis zum pfannenfertigen Urdinkel-Kernotto mit buntem Gemüsemix. Für eine hohe Wertschöpfung vermarkten Frühaufs viele Produkte selbst an wenige, dafür ausgesuchte Abnehmer. «Wertschätzung ist uns wichtig», sagt die Luzernerin. Grossverteiler beliefert der Grünboden nicht mehr – «das war viel Arbeit zu einem schlechten Preis.»

Eine eigene Praxis

In einer Sinnkrise während des Studiums sah Selina Frühauf für sich zwei Möglichkeiten: Weiter studieren oder in der Landwirtschaft arbeiten – obwohl sie keinen familiären Bezug dazu hat. Sie entscheid sich für die Uni, «aber das Schönste wäre, beides zu verbinden», dachte Frühauf schon damals. Mit der Liebe zu Marc und ihrer gemeinsamen Übernahme des Betriebs seiner Eltern, konnte sie sich diesen Traum erfüllen. Ihr Ziel ist es, mit einer eigenen Kinderpsychiatrie-Praxis ihre beiden Leben besser in Einklang zu bringen. «Als angestellte Psychiaterin ist man zeitlich kaum flexibel und 10-Stunden-Tage sind die Norm», sagt Frühauf. Dass sie einen guten Draht zu Kindern hat, beweisen Mathilda und Josephina: Sie scheinen sich verstanden zu fühlen, keine quengelt. Stattdessen sitzt die Ältere beim Gespräch mit am Tisch und lässt sich ab und zu ein aufgeschnapptes Wort erklären. Auch Mathilda verhält sich ruhig, auf dem Schoss ihrer Mutter oder im Tragetuch beim Gang durch den Garten.

Fünf Fragen

Was fasziniert Sie an Getrocknetem?
Es ist konzentriertes Aroma, lange ohne Energieaufwand haltbar und leicht zu transportieren.

Welches ist Ihr liebstes Trockenprodukt?
Dörrbohnen. Die kannte ich früher nicht, aber durch das Trocknen gewinnen die Bohnen ein anderes Aroma.

Was sollte man nicht trocknen?
Auberginen und Himbeeren. In Müslimischungen sind sie in der Regel gefriergetrocknet.

Welchen Traum möchten Sie verwirklichen?
Eine eigene Praxis für Kleinkinderpsychiatrie und -psychotherapie.

Was bringt Sie zum Lachen?
Zeit mit den Kindern zu verbringen, ist immer ein Aufsteller.

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Über Bedenken reden

Die Bio-Manufaktur gab es bei der Hofübernahme bereits. Selina Frühauf war es wichtig, den Generationenwechsel gut zu meistern. «Ich habe in der Psychiatrie junge Landwirte mit einem Burn-out gesehen und oft war eine Hofübernahme ein Auslöser», erzählt sie. Es gehe um fehlendes Vertrauen und hohe Erwartungen. Um das gute Verhältnis zu ihren Schwiegereltern zu bewahren, stiess Frühauf regelmässige Gesprächsrunden an.

Das sei nicht immer gleich auf Gegenliebe gestossen, gibt die Ärztin zu: «Die erste Reaktion war, man habe doch gar nichts zu besprechen.» Und als Direktbetroffene nehme sie bei einem solchen Austausch eine ganz andere Rolle ein als im Berufsleben. Trotzdem hält sie es für wichtig, dass alle Beteiligten über Bedürfnisse und Bedenken der Anderen Bescheid wissen. Beispielsweise in der intensiven Erntezeit, wenn viel los ist und gleichzeitig läuft: «Der eine fürchtet, wir hätten nicht genug Abnehmer. Ein anderer ist besorgt, ob die Bohnenmenge ausreichen wird und ein dritter fragt sich, ob die ganze Arbeit überhaupt innert nützlicher Frist zu bewältigen ist.»

Das zeitweise wöchentliche Zusammentreffen hat sich gelohnt: Der Generationenwechsel auf dem Grünboden ist geglückt und das frühere Betriebsleiterpaar unterstützt ihre Nachfolger tatkräftig. Es sei auch wichtig gewesen, sich nicht wegen äusserer Erwartungen komplett zu verbiegen, resümiert die Landfrau. Seit Selina Frühauf sich vermehrt um die beiden Kinder kümmert und da sie bald wieder auswärts arbeiten wird, ist zusätzlich ein Angestellter auf dem Betrieb.

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«Der Sonntag ist uns heilig»

Neun Hektaren, zum Teil gepachtet, und drei Schafe für die Grünlandpflege gehören zum Hof. In der Manufaktur werden eigenes Obst, Beeren und Gemüse genauso wie jenes von anderen Betrieben schonend bei 35 Grad getrocknet. Hinzu kommen verschiedene Getreidearten und Hirse. Psychologischem Wissen und Verkaufsgeschick zum Trotz – wie macht man der Kundschaft in Zeiten von Tiefkühl-Pizza und Fast Food Trockenware schmack-haft? «Da haben Marcs Eltern an Messen und Märkten schon viel Vorarbeit geleistet», meint Selina Frühauf. Einige Stammkunden bestellen regelmässig.

Freizeit bedeutet für Selina Frühauf im Moment in erster Linie Weiterbildung. «Aber der Sonntag ist uns heilig», ergänzt die Landfrau. Nachmittags macht die Familie einen Ausflug, geht auf Besuch oder empfängt selbst Gäste. «Am Anfang haben wir auch sonntags gearbeitet», erinnert sich Frühauf. «Aber das funktioniert auf Dauer nicht.» Nach Ende der Babypause wird sie wieder 50, später 60 Prozent auswärts arbeiten, um ihre Weiterbildung abzuschliessen. Während dieser Zeit wird ihr Mann Marc, abgesehen von den Schwiegereltern, grösstenteils die Betreuung der gemeinsamen Töchter übernehmen und auch im Haushalt aktiv sein. «Das war für uns beide klar», betont Frühauf. Sie führen den Hof zusammen und auch die Kinderbetreuung ist eine Aufgabe, die sich das Paar teilt.

Weitere Informationen: www.gruenboden.ch