«Auf unserem Betrieb ist noch nie ein nennenswerter Unfall passiert.» Diesen Satz hört Cornelia Stelzer von Pensionspferdehalter(innen) häufig. «Das ist trügerisch. Es heisst nämlich noch lange nicht, dass der betreffende Betrieb auch wirklich sicher ist. Vielleicht hatten die Leute bisher einfach Glück», sagte die Fachfrau der Beratungsstelle für Unfallverhütung in der Landwirtschaft (BUL). Am Strickhof-Pensionspferdetag, der am 15. März 2023 in Lindau stattfand, zeigte sie den Teilnehmerinnen und Teilnehmern auf, was es zu beachten gibt, um einen Betrieb für alle Beteiligten möglichst sicher zu gestalten.
Routine kann gefährlich sein
Genaue Zahlen zur Unfallstatistik auf Pferdebetrieben gibt es keine. Es ist davon auszugehen, dass in der Schweiz jährlich etwa 8000 Personen beim Reiten verunfallen. Nicht eingerechnet sind dabei Ereignisse, die keiner Unfallversicherung gemeldet werden. Weitere Fälle ereignen sich beim Aufenthalt und bei der Arbeit auf dem Pferdebetrieb. Dabei ist die Verteilung interessant: «Rund drei Viertel der Unfälle geschehen vor oder nach dem Reiten, beispielsweise beim Pflegen der Tiere», stellte Cornelia Stelzer fest. «Das zeigt eine gewisse Nachlässigkeit der Reiterinnen und Reiter. Vermutlich vor allem dann, wenn Routine mit im Spiel ist.»[IMG 2]
Auswertungen zeigen: 80 Prozent der Fälle sind dem Faktor Mensch zuzurechnen, 20 Prozent technischen Mängeln. Auf einem Reitbetrieb sind nebst der Familie und den Angestellten verschiedenste weitere Personengruppen anzutreffen, etwa Reitbeteiligungen, Reitschülerinnen und ihre Angehörige sowie Besucher. «Entsprechend breit ist der Prävention Beachtung zu schenken», so die Sicherheitsfachfrau.
Massnahmen müssen überprüft werden
Ein Hilfsmittel bei der systematischen Unfallprävention ist der Präventionszyklus. Dabei gilt es zunächst, die konkreten Gefahren überhaupt als solche zu erkennen sowie dabei das Risiko und die Schwere eines möglichen Unfalls abzuschätzen. Daraufhin sind entsprechende Massnahmen zu planen. Dazu ein Beispiel: Auf dem Hof führt eine steile Treppe zum Strohlager. Diese ist zwar mit einem Geländer gesichert, dennoch besteht die Gefahr eines Sturzes. Nach einer Überprüfung wird ersichtlich, dass das Risiko erheblich gesenkt werden kann, indem man einige der Stufen ausbessert.
Weiter könnte es sinnvoll sein, eine Tafel mit der Aufschrift «Zutritt nur für Personal» anzubringen. «Werden Massnahmen ergriffen, ist es wichtig, diese zu kommunizieren und entsprechende Instruktionen zu erteilen», so Stelzer. Zudem kann es hilfreich sein, die Verbesserungen zu dokumentieren, damit man juristisch etwas in der Hand hat, falls etwas passiert.
Auf Vorbeugung setzen
Damit ist die Prävention jedoch noch nicht beendet: Als Betriebsleiter(in) gilt es, diese in einem weiteren Schritt auf Wirksamkeit und Umsetzung hin zu überprüfen. Halten sich etwa im erwähnten Beispiel alle daran, dass nur das Personal die Treppe benutzen darf? Oder braucht es eine Abschrankung?
Cornelia Stelzer kam auf konkrete Themen zu sprechen, bei welchen ihrer Erfahrung nach mehr in die Vorbeugung investiert werden könnte, für sich selbst und alle Mitarbeitenden.
Ergonomie: Wer auf dem Betrieb arbeitet, sollte sich daran gewöhnen, schwere Lasten ergonomisch zu heben.
Sicherheitsgurten: Man sollte darauf achten, auch in landwirtschaftlichen Fahrzeugen konsequent Sicherheitsgurten zu tragen (z. B. Hoflader, Traktor).
Sichtbarkeit: Wer bei Nacht und Nebel ausreitet, muss als gesetzliches Minimum ein Leuchtmittel dabeihaben sowie am Pferd zwei Leuchtgamaschen anbringen. Es empfiehlt sich jedoch, die Sichtbarkeit mit dem Tragen einer Leuchtweste oder -jacke zu verstärken sowie am Pferd ein Leuchtband und weitere Gamaschen anzubringen. Zudem sollten die Mittel auf ihre Leuchtkraft hin überprüft werden, etwa im Rahmen eines organisierten Stalltreffs.
Notfallkonzept: Es ist ratsam, sich mit verschiedenen Notfallszenarien auseinanderzusetzen. Was ist beispielsweise zu tun, wenn ein Pferd alleine heimkommt? Wenn die Herde ausbricht und Richtung Strasse galoppiert? Welche Präventivmassnahmen gibt es dazu?
Brandfall: Um bei einem Stallbrand schnell handeln zu können, ist ein Flucht- und Rettungsplan zu erstellen und auszuhängen. Auch sind die Sicherheitsstandards des Betriebs zu überprüfen. Dabei sollten die Fluchtwege deutlich ersichtlich sein und freigehalten werden. Zudem ist sicherzustellen, dass genügend Löschmittel, an den richtigen Orten platziert, vorhanden sind. Weiter macht es Sinn, bei der Feuerwehr einen Notfallplan zu hinterlegen.
Klare Regeln aufstellen
«Auf einem Pferdebetrieb braucht es klare Regeln. Dies ist umso wichtiger, je mehr Leute involviert sind», betonte Cornelia Stelzer zum Schluss. Sie empfahl, die Stallregeln gut ersichtlich aufzuhängen und die Pensionäre bzw. Reitschüler bereits beim ersten Gespräch darauf hinzuweisen. Auch sollte allfälliges Fehlverhalten sachlich und konsequent angesprochen werden. Zudem sei es wichtig, sich rechtlich über die eigenen Verantwortlichkeiten zu informieren. Beispielsweise auch darüber, inwiefern man als Arbeitgeber, speziell auch auf einem Landwirtschaftsbetrieb, zur Prävention verpflichtet ist.
Kinder auf dem Pferdehof
Da auf einem Pferdebetrieb oft Kinder anzutreffen sind, ist deren Sicherheit besondere Beachtung zu schenken. Zu Unfällen kann es etwa im Umgang mit den Tieren kommen, beispielsweise wird ein Kind von einem Pferd getreten oder gebissen. Auch soll der Betrieb auf Kindersicherheit hin überprüft werden, etwa punkto Absturzgefahr. Daraufhin gilt es, entsprechende Massnahmen zu ergreifen (z. B. Abschrankungen) sowie klare Regeln zu kommunizieren (wer darf was?). Grundsätzlich geht es laut Cornelia Stelzer auch darum, im Vornherein die Verantwortlichkeiten zu klären: Wer ist für Reitschüler verantwortlich? Sind die Eltern dabei? Wer schaut zu weiteren anwesenden Kindern?