Mitte Juli 2023. Die langen Getreidehalme wiegen sich in der warmen Sommerabendbrise. Es ist ein ungewohnter Anblick, denn dieser Weizen steht deutlich höher als in anderen Felder. Die Ähren wirken leichter. Das sind sie auch. Hier wächst Rütti 40 auf dem Feld eines IP-Suisse-Bauern. Bei Rütti 40 handelt es sich laut der Label-Organisation IP-Suisse «um einen fast vergessenen Schatz aus der Gendatenbank in Changins». Die Landsorte (siehe Kasten) wächst heute bei 28 Berner Landwirten auf 34 Hektaren. «Eine klare Nische», sagt Marina Bernhard vom Bereich Pflanzenbau bei IP-Suisse.

Zusammen mit ihrem Arbeitskollegen Sandro Rechsteiner konnte sie vergangene Woche die Produzenten des raren Getreides im Berner Oberland begrüssen. Hier in Oey-Diemtigen in der Mühle Burgholz wird der Weizen zu Mehl verarbeitet und unter dem Label «100 % Bern» vermarktet; mit dem Slogan «Hier gewachsen, hier gemahlen, hier gebacken». Das Mehl wird schliesslich zu einem Brot verarbeitet, das den Namen «Ur-Bärner 1797» trägt.[IMG 2]

«Das Schönste ist, die Begeisterung aller zu spüren.»

Marina Bernhard, Mitarbeiterin im Bereich Pflanzenbau bei IP-­Suisse.

Warum Ur-Bärner 1797?

Wie der Website der Bäckerei Reinhard AG, die das Brot im Angebot hat, zu entnehmen ist, hat der Name einen geschichtlichen Hintergrund. «1797 war das letzte Jahr des alten Bern», steht dort. Im Folgejahr seien die französischen Truppen einmarschiert und das neue Bern habe sich geformt. «Schon zu dieser Zeit wurde die alte Landweizensorte angebaut und so ist das geschichtsträchtige Jahr 1797 der Namensgeber des Brotes», heisst es weiter.

Von heute auf morgen kann aber auch die Geschichte eines solchen Brotes nicht geschrieben werden. Aus nur 30 Gramm Saatgut wurde bereits vor einigen Jahren mit der Vermehrung von Weizen begonnen, um genügend Weizen für eine erste Aussaat zu erhalten. Das Ziel vor Augen: ein schmackhaftes Brot mit einer speziellen Geschichte.

Mehrjährige Entwicklung

Gestartet wurde schliesslich mit 13 Sorten. Die Sorte Rütti 40 setzte sich als beste Sorte aus dem Kanton Bern durch. Das und noch einiges mehr erfuhren die Produzenten der alten Landsorte vergangene Woche bei ihrem Besuch in der Mühle Burgholz.

Marina Bernhard zieht im Gespräch mit der BauernZeitung ein positives Fazit. «Die ganze Wertschöpfungskette war vor Ort», sagt sie. Das Schönste am Landsorten-Event sei sicherlich die sichtbar gewordene Begeisterung aller Beteiligten gewesen. Und auch die Nachfrage nach dem speziellen Brot würde der Geschichte recht geben, sagt sie.

Weitere Informationen: www.muehle-burgholz.ch/100-bern/ 

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Landsorten

Als Landsorten bezeichnet man verschiedene Kultur­pflanzensorten, mit den folgenden Merkmalen: Genetik: Entstanden durch lang dauernde, natürliche Selektion in einer bestimm­ten Region. Weil sie züchte­risch wenig(er) stark verän­dert wurden, haben sie eine höhere genetische Vielfalt und sind darum weniger uniform als Hochleistungs­züchtungen.

Anpassung: Dank ihrer gene­tischen Vielfalt sind sie resilienter gegenüber exter­nen Ereignissen und reagie­ren weniger stark auf Stand­ortschwankungen.

Ertrag und Qualität: Hier sind Landsorten gegenüber Hochleistungszüchtungen im Nachteil. Sie liefern weniger Ertrag bei intensi­vem Anbau und erfüllen die Qualitätsanforderungen der Lebensmittelindustrie häufig nicht.