An der kommenden Delegiertenversammlung von Bio Suisse und vorher in den Versammlungen der Mitgliedsorganisationen wird das Thema Biodiversität zu intensiven Diskussionen Anlass geben. Einmal mehr hat es die Politik nicht fertiggebracht, mittels Gegenvorschlag eine gute Kompromisslösung zu finden.

Hickhack um 3,5 Prozent

AboBiodiversitätsinitiativeVolksabstimmung entzweit BiobrancheSamstag, 3. Februar 2024 Die Abstimmung Anfang März zur 13. AHV-Rente war ein klares Warnsignal an unsere Parlamentarier. Es wäre gut, hätten sie das Ohr wieder etwas näher am Volk, dessen Bedürfnisse wurden ganz klar nicht erkannt. Ich hoffe, dass sich das bei der Biodiversitäts-Initiative nicht wiederholt. Schon das Hickhack um die 3,5 Prozent zusätzliche Biodiversitätsfläche in den Fruchtfolgeflächen hat den Goodwill innerhalb der Landwirtschaft zerstört.  Sie führte dazu, dass viele Biodiversitätsflächen in einer etwas tieferen Qualitätsstufe vorsorglich abgemeldet wurden. Diese werden nicht mehr zurückkommen, auch wenn die 3,5 Prozent Acker-BFF letztendlich fallen gelassen werden.

Fakt ist, dass der Zustand der Biodiversität in der Schweiz unbefriedigend ist. Die Hälfte der Lebensräume und ein Drittel der Arten sind bedroht. Mit dem Rückgang der Artenvielfalt geht auch teilweise genetische Vielfalt verloren.

Bio im Verteidigungsmodus

Diese Tatsache führt unweigerlich zur Diskussion, wer daran Schuld hat. Das zwingt auch uns Biobauern in eine Verteidigungshaltung. Dabei wären es doch genau die Bio-Suisse-Betriebe, denen die Biodiversität schon im Rahmen der biologischen Wirtschaftsweise ein riesiges Anliegen ist. Die meisten Biobetriebe übertreffen übrigens das geforderte 17-Prozent-Ziel längstens, das in der ursprünglichen Strategie Biodiversität Schweiz aus dem Jahr 2012 gefordert wurde.

Ein wachsender Teil der Gesellschaft, namentlich unsere Bio-Kunden, haben das anerkannt und wesentlich zum Wachstum des Bio-Konsums beigetragen. Es wäre fatal, genau diese Gesellschaftsgruppe, die zu Recht Lösungen zum Zustand der Biodiversität verlangt, vor den Kopf zu stossen – beispielsweise indem sich Biobauern im Abstimmungskampf vor den Karren der Gegner der Biodiversitäts-Initiative spannen lassen.

Ich bin überzeugt, dass es kein Flächenziel braucht, um die Biodiversität zu fördern. Biodiversität kann auch unmöglich nur die Aufgabe der Landwirtschaft sein. Es ist eine Herausforderung, die die ganze Gesellschaft betrifft und die Frage aufwirft, wie wir in Zukunft leben und wohnen wollen.

Auch Kommunen und Städte sind gefordert und jeder Hauseigentümer, der Grünflächen um seine Liegenschaft hat, sowie die Verkehrsinfrastrukturen mit ihrem steigenden Flächenbedarf in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion. Biodiversität ist an sehr vielen Orten möglich, nicht nur in der Landwirtschaft.

Basis soll mitbestimmen

Für die Landwirtschaft braucht es seitens der Amtsstellen dringend mehr Flexibilität. Nötig sind mehr Regionalität und Mitbestimmung der Basis. Innovative Bäuerinnen und Bauern sollen bei der Ausarbeitung der Massnahmenkataloge mitwirken, welche die Biodiversität zusätzlich fördern. Sie sollen mitbestimmen können, wenn es um die Kompensation des teilweisen Verzichts auf Nahrungsproduktion zugunsten der Biodiversität geht.

Bio Suisse ist im Moment daran, die Verbandsstrategie 2040 auszuarbeiten. Ein spannender Prozess, der richtigerweise an der Basis bei den Biobauern und -bäuerinnen gestartet worden ist.

Die Verantwortlichen in diesem Prozess tun gut daran, die zukünftige Positionierung unseres Verbands in solchen gesellschaftlich und landwirtschaftlich relevanten Fragen in der strategischen Ausrichtung zu berücksichtigen.

Zum Autor
Ruedi Vögele aus Neunkirch SH ist Co-Präsident der Mitgliederorganisation Bio Zürich und Schaffhausen. Er schreibt für die Rubrik «Arena» im Regionalteil Ostschweiz/Zürich der BauernZeitung.