«Die Händler überbieten sich heute fleissig, ein lebendiger Markt ist gut für uns», lobt Ernst Wandfluh. Er ist Präsident der IG öffentliche Märkte und vertritt die Interessen der Produzenten beim Schlachtviehhandel. Gehandelt wurde letzten Mittwoch im bernischen Zweisimmen. Rund 150 Stück sind auf diesem Platz gemeldet, pro Jahr werden hier rund 2000 Stück gehandelt. Wandfluh sähe gerne, wenn es mehr wären. «Wir sind froh um jeden, der seine Kühe auf den öffentlichen Markt bringt. Das ist der Ort, wo Angebot und Nachfrage direkt aufeinander treffen, hier wird der Preis gemacht», betont er. Kommen viele Tiere in guter Qualität, sind die Händler zahlreicher da, sogar wenn sie das Simmental hinaufkurven müssen.

Kühe sind sehr gefragt

Jede Kuh wird gewogen, taxiert und dann versteigert. Während sich um die schweren Kühe die Händler an diesem Morgen scharen, ist die Nachfrage bei den gut siebzig Fressern etwas verhaltener. Nach dem Bergsommer hat es auch magere Kühe im Angebot. Sie werden wie die Fresser nicht direkt geschlachtet, sondern meist noch gemästet, was bei den aktuellen Preisen einen guten Profit verspricht. «Die Durchführung der öffentlichen Märkte und die Übernahmegarantie ist ein Leistungsauftrag des Bundes», erläutert Stefan Muster, Leiter des Geschäftsbereichs Klassifizierung und Märkte bei Proviande. So habe hier jeder Landwirt die Garantie, dass seine Kuh zur Schatzung übernommen werde.

Prophetische Kräfte

Zur Schatzung ist an diesem Morgen kaum eine Kuh zu bekommen, sie werden fleissig überboten, wie Ernst Wandfluh beim Anblick der zahlreichen Händler prophezeit hatte. Im Schnitt 300 Franken über der Schatzung werden Kühe an den öffentlichen Märkten gehandelt. Prophetische Kräfte sind im Viehhandel neben einem grossen Fachwissen gefragt. «Bei den Preis- oder Importverhandlungen muss ich die Futtersituation, das Wetter, die Konsumentenstimmung und die Anzahl Tiere in den Ställen im Hinterkopf haben und rund drei Wochen in die Zukunft schauen», erklärt Ernst Wandfluh.

Streitpunkt Importe

Im Herbst, wenn die Tiere von den Alpen kommen, steigen die Auffuhren. «Heuer hat das Wetter mitgeholfen, das Angebot zu staffeln», vermutet Stefan Muster. Bisher musste nicht eingestallt werden, so dass sich die Schlachttiere verteilen und die Preise nicht unter Druck kommen. Und die Landwirte haben wohl aus der Vergangenheit gelernt, versuchen auch bei Futtermangel Panikverkäufe zu verhindern, um die Preise zu halten.

Dass ausgerechnet in den Herbstwochen meist auch vermehrt Importe bewilligt werden, führt immer wieder zu Diskussionen. Doch was nun beantragt wird, ist bereits für das Weihnachtsgeschäft: zumeist Edelstücke, die im Inland nicht ausreichend vorhanden sind. Bis sie hier sind, verarbeitet und gelagert, wird Weihnachten sein.

Verhandelt wird per Sie

Bis dann werden die Kühe, die heute gehandelt werden, wohl gegessen sein. Lagerhaltung ist teuer, so versuchen die Schlachthöfe, nachfragegerecht zu produzieren. Stefan Muster weiss, was es in diesen Wochen braucht: «Suppenfleisch, jetzt ist die Zeit für Fleischsuppe.» Wer die Gepflogenheiten nicht von Kindsbeinen an kenne, habe es schwer, die Märkte zu verstehen.

Bei Entscheiden über Preise und Importe übernimmt Proviande die Vermittlerrolle. Dazu sitzen alle Akteure an einem Tisch – dann ist man formell per Sie, Fingerspitzengefühl ist gefragt. Verarbeiter, Handel und Produzenten. «Ein guter Handel ist es, wenn alle Beteiligten zufrieden sind», betont Ernst Wandfluh. Die Fleischproduktion und -vermarktung sei ein Miteinander bis hin zum Konsumenten, denn produzieren könne man nur, was einen Käufer finde.