IP-Suisse wird Suisse GarantieUngleichgewicht im Getreidemarkt zwingt zu «Um-Labelisierung»Mittwoch, 1. November 2023 «Das ist eine absolute Fehlplanung bei IP-Suisse», ist sich Markus Lüscher sicher. Der Getreideproduzent aus Schalunen BE ist Vorstandsmitglied im Berner Bauernverband und Mitglied in der Pflanzenbaukommission des Schweizer Bauernverbands. In den Sozialen Medien bringt er sein Unverständnis über die Um-Labelisierung von IP-Suisse- zu Suisse-Garantie-Getreide zum Ausdruck und erntet viel Zustimmung. Nun müssten die Suisse-Garantie-Produzenten ein hausgemachtes Problem von IP-Suisse (IPS) berappen, so der Tenor.

Keine neuen IPS-Produzenten gesucht

Markus Lüscher spricht von vorsätzlich verschenkter Wertschöpfung bei den Landwirten und einer Zweckentfremdung von Geldern. «Eine solche Fehleinschätzung können wir uns angesichts der Kostenexplosion nicht leisten», so der Berner.

«Nach der Corona-Pandemie und dem Kriegsausbruch in der Ukraine war die Nachfrage nach Getreide riesig», gibt Alexandre Bardet von IP-Suisse zu bedenken. Entsprechend hoch seien auch die Bestellmengen vonseiten Abnehmer gewesen und die Labelorganisation suchte 2021 und 2022 neue Getreide-Produzenten. In den letzten Monaten zog der Einkaufstourismus wieder an, die Lieferketten für Fertigprodukte funktionieren wieder und die Nachfrage nach Schweizer Getreide ist gesunken. «Daher kommunizieren wir auch, dass wir keine neuen IPS-Produzenten annehmen», so Bardet.

Die Lager wären zu voll

Die Marktentlastung nötig gemacht haben allerdings hohe Lagerbestände. Laut Alexandre Bardet war noch IPS-Getreide der Ernte 2022 vorhanden, mit dem diesjährigen Korn wäre die angestrebte strategische Lagermenge von 20'000 t IPS-Getreide überschritten worden. Mit Blick auf die Gesamtlage am Schweizer Getreidemarkt habe der Schweizerische Getreideproduzentenverband (SGPV) statt einer teuren Überlagerung ins nächste Jahr eine Um-Labelisierung vorgeschlagen. «Das ist eine gute Sache und wir stehen hinter dieser Massnahme», sagt Bardet, «denn sie löst sowohl das Problem von IPS- als auch jenes der Suisse-Garantie-Produzenten.»

«Eine solche Fehleinschätzung können wir uns angesichts der Kostenexplosion nicht leisten»

Markus Lüscher hat kein Verständnis für die vollen Lager bei IP-Suisse

IPS-Getreide füllt die Lücke

Bei Suisse Garantie herrscht nämlich gemäss dem SGPV ein Mangel an Getreide in den Klassen I und TOP. Zusätzlich seien die Proteingehalte in der Klasse II eher niedrig. Das IPS-Getreide kann diese Lücke füllen. «Wir haben viel TOP- und Klasse-I-Getreide im IPS-Anbau», führt Alexandre Bardet aus. IPS fördert dies über eine Prämie und unterstützt ausschliesslich Schweizer Getreidezüchtungen, die zwar keine Höchsterträge, dafür aber eine stabile Qualität liefern. Die Klasse-II-Sorten seien zwar ertragreicher, der Proteingehalt schwanke aber auch stärker, so Bardet.

Es ist eine Gesamtrechnung

«Mit der Um-Labelisierung beheben wir das Ungleichgewicht innerhalb von Suisse-Garantie und bewahren die IPS-Produzenten vor hohen Lagerkosten», fasst SGPV-Geschäftsführer Pierre-Yves Perrin zusammen. Man habe sich gegen eine Überlagerung ausgesprochen, um eine ähnliche Situation wie 2020 mit übervollen Lagern noch vor der nächsten Ernte zu verhindern. Perrin betont die Gesamtrechnung, die es zu machen gelte: «Wir sind ein gemeinsamer Getreidemarkt und es ist im Sinne aller Produzenten, eine Lösung zu finden». 2023 hört man von Suisse-Garantie-Produzenten, sie müssten für ihre IPS-Kollegen zahlen. Aber alle beteiligen sich an den Marktentlastungsfonds und «die letzten Jahre war es umgekehrt», ergänzt der SGPV-Geschäftsführer. Was den Anbau angeht, sieht er keinen Handlungsbedarf. Man sei gut unterwegs, der Proteinmangel primär eine Folge des Wetters und nicht einer ungünstigen Sortenwahl. «Die Schwankungen in der Qualität sind bekannt, letztes Jahr war es besser», erinnert Perrin.

«Die letzten Jahre war es umgekehrt»

SGPV-Geschäftsführer Pierre-Yves Perrin über den Marktausgleich.

«Die Produktion in den Griff bekommen»

Markus Lüscher hat da seine Zweifel. Aus verlässlicher Quelle wisse er, dass es in Tat und Wahrheit keinen Mangel und kein Ungleichgewicht bezüglich Klassen-Verfügbarkeit bei Suisse Garantie gebe. Damit wolle man lediglich die Um-Labelisierung besser verkaufen. «IP-Suisse muss seine Produktion in den Griff bekommen», findet Lüscher. Er sei nicht mehr bereit, solche schlechten Entscheidungen schön zu reden und befürchte, dass die Müller künftig jedes Jahr auf eine Um-Labelisierung pochen werden. «Wenn der Markt nicht richtig eingeschätzt worden ist, sollten die Verantwortlichen dafür grade stehen – oder jene, die sie gewählt haben», schliesst Lüscher. Seine Lösung wäre eine tiefere IPS-Getreideprämie, um den Fehlanreiz zum Anbau zu grosser Mengen zu beheben. Das eingesparte Geld solle die Labelorganisation einsetzen, um «die eigenen Märkte in Ordnung zu bringen».   

Plus / minus 25'000 t Getreide

Die Anbauplanung sei keine leichte Aufgabe, rechnet Alexandre Bardet vor: «Wenn bei unserer Fläche IP-Suisse-Brotgetreide von rund 25'000 ha jeder Landwirt eine Tonne mehr oder weniger pro Hektare erntet, reden wir über plus oder minus 25'000 t Getreide.» Ausserdem werden wie erwähnt die Anbauflächen für IPS-Getreide nicht weiter ausgedehnt. Es sei sicher nicht das Ziel, in Zukunft wieder zu einer Um-Labelisierung gezwungen zu sein. «Wir wollen das produzieren, was wir verkaufen können», versichert Bardet. Man verhindere mit diesem Schritt heuer aber auch, dass Schweizer Getreide wegen mangelnder Verfügbarkeit Marktanteile verliere.

«Wir wollen das produzieren, was wir verkaufen können»

Alexandre Bardet, IP-Suisse, über das Ziel der Labelorganisation

 

Motion KnechtWarum der SGPV den günstigen Import von Getreide für Stärke unterstütztMontag, 6. November 2023Billiger Getreideimport via Stärke-Produktion?

Ebenso wie die Um-Labelisierung zur Marktentlastung stösst die Zustimmung des Schweizerischen Getreideproduzentenverbands (SGPV) für die Motion Knecht auf Unverständnis. «Damit werden Müller unterstützt, die ein Schlupfloch im Zollgesetz gefunden haben, um die Übermengen im Schweizer Getreidemarkt noch zu vergrössern», kritisiert Markus Lüscher. Es sei nicht die Aufgabe der Schweizer Bauernfamilien, die Überkapazitäten der Müllereibranche zu erhalten und zu finanzieren, argumentiert er.  

Ein Teil darf Mehl werden
«Das ist ein kompliziertes Thema, das wir seit Jahren diskutieren», erklärt Pierre-Yves Perrin, Geschäftsführer des SGPV. Es gebe dabei eine kurz- und eine langfristige Perspektive: «Kurzzeitig geht es um 13'000 t Getreide, die aus inländischer Produktion vermarktet werden könnten.» Mit einer Ablehnung der Motion Knecht bliebe es nämlich dabei, dass 75 Prozent von für die Stärkeproduktion importierten Getreides auch dafür genutzt werden muss. Das entspricht in etwa der technisch möglichen Ausbeutemenge von 75 Prozent. Bei einer Annahme der Motion sinkt diese «Ausbeutenorm» zurück auf das Niveau von vor 2021 (55 Prozent) und etwa 20 Prozent des zur Stärkeproduktion zollfrei eingeführten Weizens dürften zu Mehl vermahlen werden.

Es würde am Weizen fehlen
«Ohne das Korn aus der Stärkeproduktion hätten die Mühlen jährlich 50-60'000 t weniger Weizen zum vermahlen», so Perrin. Damit gingen bedeutende Marktanteile verloren und es käme zu einer starken Konkurrenz unter den Mühlen sowie Druck auf die Preise, warnt der SGPV-Geschäftsführer. «Es würde Stärke importiert statt Getreide, das man im Inland verarbeiten kann.» Er rechnet in diesem Fall mit so hohem Preisdruck, dass durch die höhere Ausbeutenorm nichts gewonnen wäre.

«Wenn die Müller ein Problem haben, beeinflusst das auch die Produzenten», stellt Pierre-Yves Perrin fest. «Wir sind alle in einer Branche. Wir verhandeln und diskutieren, sind aber auf gesunde Abnehmer angewiesen.» Daher gelte es, die langfristige Perspektive zu sehen und die Motion Knecht zu unterstützen.