Der Mountainbikesport wird in der Schweiz immer beliebter, gerade in der Corona-Krise liessen sich viele Schweizer für diese Sportart begeistern. Doch auch schon vor der Pandemie hatte der Anteil an Mountainbikern (7,9 %, ca. 553'000 Bikerinnen und Biker) den Anteil an Fussballern (7,7 %) überholt, wie die Studie Sport Schweiz 2020 zeigt. Die Zunahme an Mountainbikern zwischen 2014 und 2020 beläuft sich dabei auf 1,6%, also rund 112'000 zusätzliche Biker. «Die Branche boomt und die diesjährigen Bikemodelle sind zu einem grossen Teil ausverkauft», schreibt die International Mountain Bicycling Association Imba Schweiz in einer Medienmitteilung.
Dementsprechend sei auch die Nachfrage nach bedürfnisgerechten Mountainbike-Infrastrukturen stark angestiegen. Diese seien aber gerade in kleineren Destinationen und Naherholungsgebieten oft ungenügend ausgebildet, meint Thomas Egger, Präsident der Imba Schweiz. So könne man dem steigenden Nutzungsdruck, der durch die Corona-Krise nur noch verstärkt wurde, nicht gerecht werden und die Mountainbiker weichen deshalb auf andere Wege aus.
Erhöhte Nachfrage bringt Konfliktpotenzial
Aufgrund der erhöhten Nachfrage sowie den beschränkten Infrastrukturen steigt oft auch das Konfliktpotenzial zwischen Mountainbikern, Wanderern und Waldbesitzern. Jedes Jahr kommt es zu Schlagzeilen über erzürnte Wanderer, Landwirte oder Waldbesitzer, die sich an den Mountainbikern stören. Auch Geschichten über selbstgebaute Fallen, die teilweise für lebensbedrohliche Stürze verantwortlich sind, finden vermehrt Einzug in die Berichterstattungen der Schweizer Medien. Doch wieso kommt es zu diesen Auseinandersetzungen?
Gemäss Martin Wyttenbach von der Forschungsgruppe Umweltplanung der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW wird das Thema Mountainbike oft emotional diskutiert. Besuchermanagement-Projekte in der Region Zürich und dem Kanton Graubünden bestätigen die Zunahme der Mountainbikes in den Wäldern. In stadtnahen Gebieten fällt zudem auf, dass erhöhte Mountainbike-Frequenzen oft in die Abendstunden fallen. Dies kann zu einer zeitlichen Entflechtung der Nutzungen beitragen.
Zwischenfälle oder tatsächliche Konflikte sind allerdings kaum beobachtbar oder messbar. Bei Befragungen wird als möglicher Konfliktgrund oft die grosse Geschwindigkeitsdifferenz zwischen den Mountainbikern und den anderen Wegnutzenden genannt. «Dies kann insbesondere bei älteren Leuten zu Verunsicherungen führen. Die gegenseitige Rücksichtnahme ist darum für eine gelingende Koexistenz entscheidend», so Wyttenbach.
Vorfall am Uetliberg
Als Beispiel einer solchen Falle nennt die Imba Schweiz einen Vorfall am Uetliberg bei Zürich. Dort sollen den Mountainbikern Metallstangen in den Weg gelegt worden sein, um diese zu Fall zu bringen. «Solche Aktionen sind lebensgefährlich und nicht tolerierbar», so die Imba Schweiz.
Die rechtliche Grundlage ist unklar
Rechtlich gesehen dürfen Fahrräder Wege, die sich für den Verkehr mit Motorfahrzeugen oder Fahrrädern nicht eignen oder offensichtlich nicht dafür bestimmt sind (wie zum Beispiel Fuss- und Wanderwege) mit solchen Fahrzeugen nicht befahren (gemäss Art. 43 Abs. 1 des Strassenverkehrsgesetzes). Diese Regel gilt für die gesamte Schweiz. Das Problem dieser Definition sei es jedoch, dass die Mountainbikes technisch immer besser werden und die Frage nach der Eignung der Wege für Fahrräder immer schwieriger zu beantworten wird, erklärt das Astra auf Anfrage.
Im Zweifelsfall können Signalisationen über die Befahrbarkeit des Weges Aufschluss geben. Treffen die Mountainbiker auf einen Wanderer, müssen die Mountainbiker den Fussgängern ausnahmslos den Vortritt gewähren oder sogar absteigen.
Weiterführende Regeln und Verbote werden direkt von den einzelnen Kantonen erlassen und durchgesetzt. Dabei gibt es jedoch deutliche Unterschiede zwischen den Kantonen. Aus diesem Grund sollten sich Mountainbiker im Voraus immer bei den einzelnen Kantonen oder Tourismusdestinationen informieren.
Im Wald nur auf befestigten Strassen erlaubt
Im Wald gelten zusätzlich noch weitere Regeln, doch auch dort sind weitgehend die Kantone zuständig. Obwohl der Wald nach Artikel 14 des Bundesgesetzes über den Wald der Allgemeinheit zugänglich sein muss, könne der Zugang in Gebieten, wo der Schutz von Pflanzen und Wildtieren gesichert werden muss, eingeschränkt werden, schreibt der SRF in einem Artikel. Hierzu betont WaldSchweiz, dass ein Waldbesitzer nicht auf alle Ansprüche der Bevölkerung eingehen müsse und er für spezifische Leistungen auch einen Preis verlangen könne. Im Grundsatz ist das Fahrradfahren im Wald laut Astra aber nur auf befestigten Strassen und Wegen erlaubt. Wenn dieses Gesetz nicht eingehalten wird, können die Mountainbiker verzeigt werden.
Da in vielen Fällen jedoch keine eindeutige gesetzliche Regelung existiert, appellieren sowohl WaldSchweiz, die IMBA Schweiz als auch das Astra an die Mountainbiker, sich der Natur, den Wanderern, dem Waldbesitzer sowie den anderen Waldbesuchern gegenüber respektvoll zu verhalten. Die Imba Schweiz verweist für ein friedliches Miteinander auf das Koexistenzpapier der Schweizer Wanderwege, dem Bfu, Swiss Cycling, SchweizMobil, dem Schweizer Alpen-Club SAC und Schweiz Tourismus.
Der Wald hat immer einen Besitzer
Auch das Bundesamt für Strassen Astra hat ein Merkblatt zum Thema veröffentlicht. Zusätzlich sollten die Mountainbiker den Wald-Knigge der Arbeitsgemeinschaft für den Wald beachten. Darin wird unter anderem erklärt, dass man auf den offiziellen Wegen bleiben, die Nachtruhe im Wald respektieren, ohne Erlaubnis nichts installieren oder bauen und auf die Forstarbeit achten soll. Was den Waldbesuchern oftmals nicht bewusst ist oder vergessen wird, ist, dass der Wald kein Allgemeingut ist, sondern immer einen Eigentümer hat.
Um dies zu verbessern, ist es WaldSchweiz sowie der Imba Schweiz ein Anliegen, die Bevölkerung durch Öffentlichkeitsarbeit zu sensibilisieren. Ein Beispiel dafür ist der oben erwähnte Waldknigge, bei dem auch Vertreter von Swiss Cycling mitgewirkt haben, so WaldSchweiz. Hierbei sei die Zusammenarbeit von Waldverbänden mit Sportvereinen und -verbänden wichtig, damit eine Übermöblierung des Waldes mit Schildern möglichst verhindert werden kann, schreibt WaldSchweiz. «Solche Sensibilisierungsmassnahmen sind äusserst sinnvoll und können als «positive Besucherlenkung» zur Minderung der Konfliktproblematik im Wald beitragen. Wo diese Massnahmen nicht mehr greifen, sollte die Entflechtung mit nutzerfreundlichen Infrastrukturen geprüft werden», so die ZHAW.
Swiss Mountainbiking Project
Auch die Imba Schweiz setzt sich dafür ein, dass der nachhaltige Mountainbike-Tourismus auf nationaler Ebene thematisiert wird. Mit dem Swiss Mountainbiking Project lanciert der Verein ein Projekt, bei dem dringende Bedürfnisse rund um Mountainbiking zur Sprache kommen. Dabei soll auf nationaler Ebene bestimmt werden, wie eine nachhaltige Entwicklung im Mountainbikesport aussieht. Daraus sollen konkrete Massnahmen zur Sensibilisierung abgeleitet werden.
Informationstafeln nützen mehr als Verbote
Waldeigentümer können grundsätzlich Verbotstafeln anbringen. Dies mache aber nur Sinn, wenn für das Verbot auch tatsächlich eine rechtliche Grundlage existiere, so WaldSchweiz. Aus diesem Grund sei es sinnvoller, Hinweis- oder Informationstafeln zu platzieren. Laut einer Studie von Grün Stadt Zürich, werden Verbote oft nicht beachtet, meint die Imba Schweiz. Positive Massnahmen wie der Bau neuer Infrastrukturen seien da viel erfolgreicher.
Solche Infrastrukturen sind zum Beispiel sogenannte «Trails», die extra für Mountainbiker angelegt werden und ihnen nicht nur eine grössere Herausforderung, sondern auch eine Alternative zu konventionellen Wegen bieten. In Tourismusdestinationen und siedlungsnahen Gebieten wie dem Gurten in Bern oder dem Uetliberg in Zürich werden vermehrt solche Mountainbike-spezifische Infrastrukturen angelegt, so die Imba. Damit werden die Mountainbiker kanalisiert und gleichzeitig dämmen die Massnahmen Übertretungen und Konflikte ein.
Waldbesitzer sollen das Gespräch suchen
Das ist aber noch die Ausnahme, deshalb legen Mountainbiker teilweise selber Hand an. Da der Wald aber immer einen Besitzer hat, ist das Anlegen von eigenen Trails illegal und kann zu strafrechtlichen Folgen führen. Wie der Waldbesitzer mit solchen Regelverstossen umgeht, bleibe grundsätzlich ihm überlassen. WaldSchweiz empfiehlt jedoch, aktiv zu werden. «Denn selbst die Duldung (aktiv oder passiv) kann zu Problemen bezüglich Haftung führen.» In erster Linie soll der Betroffene das Gespräch mit der Akteurgruppe suchen, ansonsten können auch konkrete Massnahmen wie das Anbringen von Warnhinweisen, den aktiven Rückbau oder Erstattung einer Anzeige wegen Sachbeschädigung ergriffen werden.
Wenn Probleme auftauchen sei der lokal zuständige Förster ein guter Ansprechpartner für die Waldbesitzer. Ansonsten können sich die Waldeigentümer auch an den kantonalen Waldeigentümerverband, den kantonalen Forstdienst oder die Polizei wenden. WaldSchweiz empfiehlt ausserdem, sich bei der Gemeinde zu melden, denn diese könne die Waldbesitzer auch bei den Sensibilisierungsmassnahmen unterstützen und die Kommunikation zur lokalen Bevölkerung herstellen.
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