Simone de Coulon – bei diesem wohlklingenden Namen denkt man gleich an welsche Wurzeln. Nicht zu Unrecht, denn einen Teil ihrer Kindheit verbrachte die Baselbieterin auf dem elterlichen Landwirtschaftsbetrieb mit Milchwirtschaft, Acker- und Rebbau unweit der Stadt Neuenburg. Gleichzeitig gab es in der Familie aber auch noch eine Weinhandlung in Sissach BL.

«Ich habe vielleicht weniger Akzent»

«Ich habe den Kindergarten im Welschland absolviert, aber dann hatten wir für den Betrieb im Neuenburgischen einen Betriebsleiter und sind zurück ins Baselbiet.» Komplett zweisprachig ist die 34-Jährige deshalb nicht, «aber ich verstehe Französisch sehr gut und habe vielleicht weniger Akzent als andere Deutschschweizerinnen».

Erst in die Hotellerie

Nach der Schule absolvierte Simone de Coulon eine Lehre zur Hotel-Gastro-Kauffrau. «Man kann schon sagen, dass ich ziemlich streng erzogen wurde. Meine Geschwister und ich sollten ‹etwas Richtiges› lernen und dann auch Berufserfahrung auf dem erlernten Beruf sammeln.» Das tat sie dann auch und füllte ihren Rucksack mit Wissen, das ihr bis heute zugutekommt. «Die Hotellerie ist eine lebendige Branche, aber irgendwann hat mir die Landwirtschaft gefehlt. Ich kann nicht still sitzen.»

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Also besann sich Simone de Coulon auf ihre Wurzeln. «Ich hatte ehrlich gesagt grossen Respekt davor, als junge Frau in die Landwirtschaft einzusteigen, und vor der Arbeit mit den grossen Maschinen.» Das Vorstudienpraktikum auf dem Neumatthof, einem Bio-Milchwirtschaftsbetrieb in Aesch BL, nahm ihr diese Ängste – einem fortschrittlichen Betriebsleiter sei Dank. Urs Büeler hatte bereits viele Frauen ausgebildet. Bereits seit acht Jahren arbeitet sie auf dem Neumatthof mit.

Frauen und ihre Stärken

«Ich denke nicht zu sehr in Geschlechter-Fragen, aber ich glaube schon, dass Frauen Fähigkeiten haben, die ihnen in der Landwirtschaft zupasskommen, wie das berühmte Multitasking oder ein gewisses Feingefühl im Umgang mit Tieren. Kein Wunder, kümmern sich auf vielen Höfen die Frauen um die Kälber.»

An der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) in Zollikofen BE studierte Simone de Coulon Agronomie mit Vertiefung Pflanzenwissenschaften und Agrarökologie. Als diplomierte Agronomin arbeitete sie bis Ende 2022 als Assistentin im Team Pflanzenschutz und Agrarökologie an der HAFL. Parallel arbeitete sie auf dem Neumatthof mit. «Ich hätte den Hof gerne übernommen, aber die Stadt Basel hat beschlossen, ihn nach der Pension des Betriebsleiters nicht mehr zur Pacht auszuschreiben.»

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In Umstellung auf Knospe

Stattdessen konnten Simone de Coulon und ihr Partner David Gschwind per 1. Januar 2023 den Neuhof in Reinach pachten, der ebenfalls der Stadt gehört. Derzeit befinden sie sich in der Bio-Umstellung. 73 Hektaren, neben Ackerbau (v. a. Weizen) gehören 670 Legehennen, rund 30 Weideschafe, die Zwergziegen Luna, Raika, Bianca, Pit, die beiden Minipigs Schnipp und Schnapp und Border Collie Guinness dazu.

Milchkühe übernehmen 

Ab 2025 kommen wieder rund 45 Milchkühe zum Hof dazu – sie übernehmen den Kuhbestand vom Neumatthof in Aesch. «Derzeit ist die Herde dort eine bunte Trachtengruppe aus verschiedenen Rassen», sagt sie schmunzelnd. Sie selbst liebäugelt mit der Rasse Montbéliarde und der muttergebundenen Kälberaufzucht oder Mutter-Kalb-Haltung (kurz MuKa).

Bio aus Überzeugung

«Wir könnten hier nicht mehr ganz klassisch produzieren, selbst wenn wir das wollten. Kälber in Iglus würden von den vielen Konsumenten, die hier auf dem Hof ein und aus gehen, nicht mehr akzeptiert.» Aus demselben Grund hätten sie auch viele Biodiversitätsförderflächen und würden mit dem lokalen Vogelschutz zusammenarbeiten – «aber wir machen Bio auch aus Überzeugung», sagt Simone de Coulon. Sie ist Vorstandsmitglied von Bio Nordwestschweiz.

Der Hof befindet sich mitten in der belebten Agglomerationsgemeinde, ein Radweg führt über den Hof und zum Betrieb gehört ein Spielplatz mit Sandkasten und Trampolins, der längst mehr oder weniger öffentlich ist. Im Sommer betreiben sie eine Buvette, die Simone de Coulons Mutter betreut. Ausserdem bieten sie regelmässig Hofführungen an und führen Anlässe durch, der Eventraum Holderrümli ist beliebt für Kindergeburtstage, Familienanlässe, Apéros, Vereinsanlässe oder Ähnliches.

Amor lauerte in den Reben

Simone de Coulon arbeitet Vollzeit auf dem Betrieb, dazu kommt ein Mitarbeiter, ihr Partner David Gschwind ist ungefähr 50 Prozent auf dem Hof beschäftigt, denn seit Januar 2017 ist er Betriebsleiter des elterlichen Weinbaubetriebs Gschwind Weinbau und Weinhandwerk in Therwil BL.

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Dazu passend hätten sich die beiden seinerzeit «in den Reben» kennengelernt, erzählt sie. Die beiden Betriebe arbeiten eng zusammen und nutzen Synergien. «Unser Ziel wird es sein, möglichst viel Direktvermarktung zu betreiben», kündigt Simone de Coulon an. Schon heute verkaufen sie Eier und Suppenfleisch der Althennen ab Hof.

Einige Tage sind anstrengend

Die unmittelbare Nähe zur Stadt und die vielen Kontakte haben für die Agronomin Vor- und Nachteile. «Die Hofführungen mit den Kindern und Anlässe liebe ich sehr.» Eines ihrer Hobbys ist es, Blumenschmuck für die Anlässe herzustellen. «Dabei kann ich richtig abschalten. Aber es gibt auch Tage, an denen ich den chaotisch hinterlassenen Spielplatz voller Abfall aufräumen und unendlich viel diskutieren musste. Das kann auch anstrengend sein», schildert Simone de Coulon.

Neuer Kuhstall

Die Arbeit wird dem jungen Paar nicht ausgehen. Es stehen verschiedene grosse Projekte wie der Bau eines neuen Kuhstalls an. Weil der Hof der Stadt gehört, sitzt das Pächterpaar dafür zwar in der Projektleitung, aber die Mühlen mahlen langsam. Auch können sie noch nicht auf dem Hof wohnen und haben bislang erst das Büro hier.

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«Ich freue mich, wenn dann alles fertig ist, das wird noch eine Weile dauern.» Bis dahin nimmt Simone de Coulon Schritt für Schritt. Freizeit ist rar, wenn sie welche hat, fotografiert sie gerne, arbeitet mit Border Collie Guinness oder widmet sich dem bereits erwähnten Blumenschmuck.

Schon lange keine Ferien mehr

«Richtig Ferien hatten wir schon lange nicht mehr, aber mal ein paar Tage freinehmen wird auch wieder mal ein Ziel sein», sagt die engagierte Landwirtin.

Fünf Fragen an Simone de Coulon

Über welches Kompliment freuen Sie sich?
Wenn meine Blumengestecke gelobt werden.

Welche Tätigkeit finden Sie sinnlos?
Teile des Bürokrams.

Wohin würden Sie gerne einmal reisen?
Ich bin sehr gerne zu Hause, aber vielleicht nach Grönland, das ewige Eis sehen, falls es dann noch da ist.

Worauf achten Sie bei einer anderen Person zuerst?
Meistens auf die Hände.

Was macht Sie schlaflos?
Wenn etwas mit den Tieren ist oder das Getreide zur Ernte bereit wäre, aber das Wetter nicht stimmt.

Weitere Informationen über den Neuhof