Gibt es den Stadt-Land-Graben überhaupt? Diese und weitere Fragen zum Verhältnis von Stadt- und Landbevölkerung stellte sich die Fenaco und gab eine Umfrage in Auftrag, deren Ergebnisse nun vorliegen. Sie dient als Grundlage zur Verteilung der 10 Millionen Franken, die die Firma in ein Projekt zur Förderung des Dialogs von Stadt und Land investiert.
Zwei Drittel nehmen einen grossen Stadt-Land-Gegensatz wahr
Die Fenaco hat beim Forschungsinstitut Sotomo die Erarbeitung eines repräsentativen Stadt-Land-Monitors in Auftrag gegeben. Dieser soll dazu beitragen, die Spannungsfelder zwischen Stadt und Land besser zu verstehen und als solide Grundlage für die Vergabe der Gelder dienen, wie Fenaco in der Medienmitteilung bekannt gibt. Auch soll diese Befragung in Zukunft regelmässig wiederholt werden, um die Entwicklung des Verhältnisses zwischen Stadt und Land zu beobachten und zu verstehen.
Als zentrale Erkenntnis der ersten Ausgabe der Umfrage bezeichnet Martin Keller, Vorsitzender der Geschäftsleitung von Fenaco, dass zwei Drittel der Befragten den Stadt-Land-Gegensatz als gross und relevant wahrnehmen würden. «Auch wenn die Schweiz diese Differenzen in den Augen der Umfrageteilnehmenden auszuhalten vermag, so ist doch eine überwiegende Mehrheit der Ansicht, dass es mehr Anstrengungen braucht, um die Gräben in den Köpfen zu überwinden», so Keller.
Die wichtigsten Ergebnisse der Umfrage
Das Dazwischen ist die Normalität: Nur jeweils acht Prozent der Schweizer Bevölkerung lebt gemäss Selbstangabe in einer sehr ländlichen oder in einer sehr städtischen Gemeinde, kam in der Studie heraus. Zwischen Stadt und Land liege kein Graben; das «Dazwischen» sei vielmehr die Normalität.
Eher «Grüezi-Graben» als «Stadt-Land-Graben»: Wenn sich Unbekannte auf der Strasse grüssen, dann sei dies ein guter Indikator dafür, dass man sich auf dem Land und nicht in der Stadt befindet, so die Autoren der Studie. Dennoch sei das Gemeinschaftsleben in Stadt und Land gar nicht so unterschiedlich. Auch Städter grüssen laut Studie zumindest ihre Nachbarn und wechseln ein paar Worte mit ihnen, zugleich besucht aber auch nur eine Minderheit der Landbewohner ihre Nachbarn zuhause.
Lieber auf dem Land wohnen als in der Grossstadt: 38 Prozent der Befragten möchten gemäss Studie am liebsten auf dem Land leben und insgesamt 62 Prozent können sich dies gut vorstellen. Die Erfahrungen der Corona-Pandemie hätten diese Sehnsucht nochmals verstärkt. Nur 14 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer möchten gerne in einer grösseren Stadt leben. Nur 30 Prozent können sich dies überhaupt vorstellen.
«Heidi» lässt grüssen: Landbewohner beschreiben laut Studie Städter unter anderem als «oberflächlich» und «egoistisch». Umgekehrt beschreiben Städter die Landbevölkerung u. a. als «gesellig» und «sympathisch». Die Zuneigung sei einseitig und das Bild des entwurzelten Stadtmenschen, das schon von Johanna Spyri in ihren Heidi-Romanen gezeichnet worden ist, bleibe bis heute tief in den Köpfen verankert, so die Studienautoren.
Bedürfnis nach Verbesserung des Dialogs: Aus Sicht der Bevölkerung braucht es den direkten, unmittelbaren Kontakt vor Ort, um die Gräben in den Köpfen zu überwinden, so die Ergebnisse der Studie. So bewerten 92 Prozent die Einführung obligatorischer Schulbesuche auf dem Bauernhof als positiv.
Weitere Ergebnisse finden Sie im Studienbericht.
Betrag geht an Stiftung
Der Betrag von zehn Millionen Franken soll idealerweise einer Stiftung zufliessen, hiess es an der Medienkonferenz von Montag. Ob eine neue Stiftung gegründet, oder eine bestehende damit bedacht werde, sei Gegenstand von Abklärungen. Der Betrag soll in erster Linie in Initiativen fliessen, welche den persönlichen Austausch und die direkte Begegnung zwischen der Bevölkerung und den Bauernfamilien fördern.
Dass der Betrag überhaupt für ein Projekt gespendet werden könne, sei dem aussergewöhnlich guten Geschäftsjahr 2020 zu verdanken, so Martin Keller. Landi und Volg seien dank der Corona-Pandemie gewachsen.
Monitor soll weiterentwickelt werden
Kritisiert wurde an der Studie, dass sie nur die Stimmbevölkerung betrachtete und nicht die gesamte Bevölkerung. Michael Hermann, Inhaber von Sotomo, sagte dazu, dass man sich beim Stadt-Land-Monitor 2021 auf die Stimmbevölkerung fokussiert habe, weil es um gesellschaftspolitische Themen gehe und so auch politische Aussagen gemacht werden können. Und Martin Keller sagte: «Der Monitor soll in Zukunft regelmässig erhoben und weiterentwickelt werden. Wenn es zum Beispiel um die Konsumentensicht geht, kann es sinnvoll sein, auch Ausländerinnen und Ausländer ohne Stimmrecht in der Schweiz in die Erhebung einzubeziehen».
Weitere Infos zur Investition von Fenaco gibt es im Artikel von «die grüne»: